Direkte Demokratie per Briefwahl

LINKE und SPD wollen die Bedingungen für die Bürgerbeteiligung verbessern

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Angesichts drohender Umzingelung durch eine Reihe von Volksinitiativen und Volksbegehren proben LINKE und SPD einen Befreiungsschlag. In einem gemeinsamen Antrag haben sie Vorschläge zum Ausbau der direkten Demokratie unterbreitet. Diese Vorschläge sollen in einer neu gefassten Kommunalverfassung verankert werden. Damit soll auch Befürchtungen entgegengetreten werden, durch die geplante Kreisgebietsreform könnten sich die Bedingungen für die »Demokratie von unten« wieder verschlechtern.

»Mit diesen Maßnahmen bringen wir die direkte Demokratie in Brandenburgs Kommunen auf eine Weise voran, wie das seit 1993 nicht mehr gegeben war«, sagte der Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Scharfenberg (LINKE), als er das Projekt präsentierte. Unter anderem soll auf kommunaler Ebene bei einem Bürgerbegehren der bislang erforderliche und komplizierte Kostendeckungsvorschlag für das angestrebte Ziel durch eine »qualifizierte Kostenschätzung« ersetzt werden. Das erleichtere das Einbringen der Anliegen, erläuterte Scharfenberg. Wegfallen soll das Verbot, bei Bürgerbegehren per Briefwahl abzustimmen.

Außerdem: Während bislang der selbst betroffenen Stadtverordnetenversammlung oder Gemeindevertretung die Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens oblag, soll das künftig die Kommunalaufsicht des Landkreises übernehmen. Scharfenberg räumte zur Erklärung ein, die bisherige Regelung habe eine problematische Interessenverquickung bedeutet. Denn immerhin durften diejenigen die Berechtigung eines Anliegens prüfen, denen das Anliegen selbst vielleicht quer im Magen lag.

Allgemeiner ist das Versprechen, den sogenannten Negativkatalog zu kürzen. Darin ist geregelt, zu welchen Themen ein Bürgerentscheid nicht statthaft ist. Auf der Ebene der Landespolitik beispielsweise dürfen unmittelbare Finanzforderungen und Haushaltskorrekturen nicht Gegenstand einer Volksinitiative sein.

Laut der von den Regierungsparteien geplanten Korrektur der Kommunalverfassung soll es beispielsweise künftig möglich sein, ein Bürgerbegehren zum Aufstellen von Bebauungsplänen einzubringen. Darin liegt »Musik«. Hintergrund ist der Protest in vielen Kommunen im Berliner Umland gegen das Ausweisen neuer Wohngebiete.

Die Bundeshauptstadt »platzt aus allen Nähten«, einst verträumt im Grünen liegende Flecken im Umland sind einem starken Bebauungsdruck ausgesetzt. Dies geschieht sehr zum Unwillen der Alteingesessenen, die sich ihre Idylle erhalten wollen. Auf die Frage, ob jetzt der lokale Bürgerwille quasi einen Ring um Berlin ziehen und die Ausbreitung der Hauptstadt per Basisdemokratie verhindern kann, sagte der SPD-Abgeordnete Daniel Kurth, es solle künftig ein Bürgerbegehren beim Aufstellen von Bebauungsplänen möglich sein, nicht aber die Korrektur und Beseitigung bereits bestehender Pläne. Die gemeinsame Landesplanung von Brandenburg und Berlin werde also nicht obsolet.

Schließlich nehmen sich die Koalitionäre noch vor, in der Kommunalverfassung festzulegen, dass »Kinder und Jugendliche bei Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren, in angemessener Weise zu beteiligen sind«.

Scharfenberg unterstrich, die Korrekturen seien überfällig, sie seien zum Teil von seiner Fraktion schon seit Längerem ins Auge gefasst gewesen.

»Die Pläne der Koalition sehen eine klare Erleichterung von Bürgerbegehren vor«, lobte Oliver Wiedmann, Vorstandssprecher des Vereins Mehr Demokratie Berlin-Brandenburg. Der Antrag der Koalitionsfraktionen gehe aber in vielen Punkten noch nicht weit genug. Eine umfassende Reform sei weiterhin nötig. Als großes Problem nannte der Verein die kurze Frist von acht Wochen, in der ein Bürgerbegehren, das einen Beschluss der Gemeindevertretung korrigieren will, samt Unterschriften eingereicht werden muss.

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