Erster Zeuge im Fall Amri befragt

Ausschuss hört Leiter der polizeiinternen Ermittlungsgruppe »Lupe« zu islamistischem Attentäter an

  • Felix von Rautenberg
  • Lesedauer: 2 Min.

»Der erste Zeuge war nicht in der Lage, alle inhaltlichen Fragen zu beantworten«, sagt Burkhard Dregger (CDU) bei der Pressekonferenz des Untersuchungsausschusses zum Fall Anis Amri am Freitag. Der erste geladene Zeuge, Kriminaldirektor Dennis Golcher, wurde im Sommer dieses Jahres von der Senatsinnenverwaltung beauftragt, mit einer polizeiinternen Sonderermittlungsgruppe alle verfügbaren Akten rund um das Handeln des islamistischen Attentäters Anis Amri auf Fehler der Behörden hin zu untersuchen. Am Freitag sollte er den Untersuchungsausschuss über den Arbeitsstand der polizeiinternen Taksforce »Lupe« unterrichten. »Die Senatsinnenverwaltung hat die Aussagemöglichkeiten des Zeugen begrenzt«, erklärt Dregger weiter. Nach Aussage des Ausschussvorsitzenden konnte Golcher gegenüber dem Untersuchungsausschuss nur Auskunft zum Ermittlungsstand bis zum 6. Juli 2017, dem Tag an dem er Leiter der Taskforce »Lupe« wurde, geben. Grund dafür ist eine rechtliche Aussagebeschränkung.

Im Fall um den Attentäter vom Breitscheidplatz war bislang Aktenmanipulation in mindestens zwei Fällen bei den Behörden bekannt geworden. Die eigens zur internen Untersuchung gegründete Taskforce »Lupe« würde nun »unglaublich viel Material« auswerten, so Golcher im Vorfeld des Ausschusses. Um die rund 116 312 Datensätze auszuwerten, hatte die Ermittlungsgruppe eigens Dolmetscher beauftragt. Bei der Auswertung dieser rund 7700 abgehörten Telefonate, 10 200 Kurznachrichten und 98 000 sonstigen Daten, soll es jedoch zu Übersetzungsfehlern gekommen sein, wie der Abgeordnete Marcel Luthe (FDP) bei der Pressekonferenz anmerkt.

»Wir sind keinen Schritt weiter«, bemängelt Canan Bayram (Grüne). Nach ihrer Aussage sei der Kenntnisstand nach Befragung des Zeugen enttäuschend gering. »Im Detail konnte er nicht auf die Fakten eingehen«, so Bayram. Der Abgeordnete Niklas Schrader (LINKE) sagt: »So eine Aussagebeschränkung darf nicht dazu führen, dass wir keine Antworten mehr bekommen. Das müssen wir schnellstens ändern. Es wäre nun sinnvoller, auch innerhalb der Taskforce Zeugen zu nennen, die einen besseren Kenntnisstand haben.«

Die Arbeit des Ausschusses wird weiter erschwert: Nach Aussage Frank Zimmermanns (SPD) sei nun ein Nachbereitungsbericht, der vertrauliche, sicherheitsrelevante Untersuchungsergebnisse zum Anschlagsabend auf dem Breitscheidplatz beinhaltet, an die Öffentlichkeit gelangt.

Ein weiterer Zeuge, Ex-Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU), konnte am Freitag nicht angehört werden, weil er sich krank meldete. In einem nächsten Schritt will der Ausschuss zwei Kriminalbeamte als Zeugen vernehmen, die Auskunft über die internationale Observation Amris geben können. Der Islamist hatte unter verschiedenen Identitäten im Schengen-Raum gelebt und diesen durchquert, nachdem er den Anschlag auf dem Weihnachtmarkt im Dezember letzten Jahres verübte.

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