Regierung in Neuseeland in der Schwebe

Rechtspopulistische New Zealand First ist nach dem Sieg der Konservativen das Zünglein an der Waage

  • Barbara Barkhausen, Sydney
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Jacindamania, wie die Neuseeländer die Euphorie um die neue Chefin der Sozialdemokraten nannten, reichte dann doch nicht ganz. Die konservative Partei Neuseelands gewann zum vierten Mal in Folge mit vermutlich 58 Sitzen die neuseeländischen Wahlen. 45 der insgesamt 120 Sitze im Parlament gehen an die sozialdemokratische Opposition. Auch die rechtspopulistische Partei New Zealand First und die Grünen werden im Parlament sitzen.

Diese Parteien halten nun die Macht in der Hand, ob die konservative National Partei an der Regierung bleiben wird oder ob die Sozialdemokraten trotz weniger Stimmen zum ersten Mal seit neun Jahren wieder die Regierung bilden dürfen. Dafür sind 61 Sitze im Parlament nötig. Die Grünen unterstützen die Labour Partei, sodass die rechte New Zealand First das Zünglein an der Waage sein wird. Die Partei hat in der Vergangenheit mit beiden führenden Parteien zusammengearbeitet.

Doch eine Entscheidung darüber will deren Parteichef Winston Peters erst in den nächsten Tagen fällen. Die Partei der indigenen Bevölkerung - die Maori Partei - schaffte die Fünf-Prozent-Hürde dieses Mal nicht. Große Teile der Ureinwohner gaben ihre Sympathien anscheinend den Sozialdemokraten, deren stellvertretender Parteichef Kelvin Davis Maori ist.

Der amtierende Premierminister Bill English ist ein konservativer Katholik und Wirtschaftswissenschaftler. Der 55-Jährige ist seit Dezember im Amt, damals trat der im Volk beliebte John Key aus familiären Gründen zurück. English hatte zuletzt 2002 an der Spitze der National Partei gestanden. Damals hatte der Angela-Merkel-Fan die Wahl verloren und musste hohe Verluste einfahren.

Während ihrer Regierungszeit hatte die National Partei wirtschaftliche Erfolge aufzuweisen. Die Partei hat das Land durch die Finanzkrise und ein schweres Erdbeben in Christchurch im Jahr 2011 geführt. Doch Kritik wurde in den vergangenen Monaten aus dem Inneren des Landes laut, wo laut Amnesty International fast jedes dritte Kind in ärmlichen Verhältnissen lebt und Immobilien für viele unerschwinglich geworden sind. Neuseeland gehört inzwischen zu den Industrienationen mit den höchsten Raten an Obdachlosigkeit.

Kinderarmut und eine Immobilienkrise, wie viele lokale Medien die Häuserknappheit nennen, schafften den Nährboden für ein Wiederaufleben der sozialdemokratischen Labour Partei. Trotzdem waren deren Umfragewerte bis Ende Juli noch schlecht. Erst als der bisherige Labour-Chef Andrew Little wegen der Umfragewerte zurücktrat und damit die Bahn frei machte für Jacinda Ardern, wendete sich das Blatt.

Die neue, erst 37 Jahre alte Parteichefin brachte vom ersten Tag an neuen Schwung in die Partei, obwohl sie deutlich weniger Erfahrung aufweisen konnte als English. Nach einem Kommunikationsstudium hatte sie für die frühere neuseeländische Premierministerin Helen Clark und später für den britischen Premier Tony Blair gearbeitet. Sie war Präsidentin der Internationalen Union der Sozialistischen Jugend und sitzt seit 2008 im neuseeländischen Parlament. Ihre stets positive und charismatische Art riss vor allem junge Neuseeländer mit. Einige Umfragen sahen die Sozialdemokratin, die viele Wahlversprechen gab - darunter die Entkriminalisierung des Themas Abtreibung, mehr erschwingliche Häuser oder eine kostenlose Universitätsausbildung - sogar vor English.

Einen Sieg kann die Politikerin jedoch auf alle Fälle für sich verbuchen: Sie begeisterte die Neuseeländer wieder für Politik.

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