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Der Bildungsminister tritt zurück

Nachfolgerin von Günter Baaske (SPD) soll Britta Ernst werden - die Frau von Olaf Scholz

Als Günter Baaske 2002 brandenburgischer Sozialminister wurde, da erklärte er, sein Name schreibe sich ohne H, aber mit zwei A. Das werde häufig falsch gemacht. Inzwischen kennt die Presse die richtige Schreibweise. In der aktuellen rot-roten Landesregierung gab es niemanden, der schon so früh dabei gewesen ist wie er.

Nun hat der SPD-Politiker am Dienstag aus persönlichen Gründen seinen Rücktritt als Bildungsminister erklärt. Den unbequemen Posten hatte er nach der Landtagswahl 2014 übernehmen müssen, als das von ihm so geliebte Sozialressort bei der Regierungsbildung an die LINKE fiel. Sozialminister ist Baaske gern gewesen. Er hat sich als Erbe der populären, 2001 verstorbenen Sozialministerin Regine Hildebrandt (SPD) präsentiert und in dieser Rolle sehr wohlgefühlt. Doch Bildungsminister, das war offensichtlich nicht sein Ding, obwohl er von Beruf Lehrer ist und früher Mathematik und Physik an einer Gehörlosenschule unterrichtete.

Als Baaske zu Beginn des neuen Schuljahres vom »nd« gefragt wurde, ob er amtsmüde sei, wies er dies noch zurück und wollte wissen: »Wirke ich so?« Ja, so wirkte er. Geradezu unglücklich in seiner Funktion, genervt von der Panne beim Mathe-Abitur. Die Prüflinge hatten Aufgaben erhalten, die eine erhebliche Zahl von ihnen nicht lösen konnte, weil das an ihren Schulen nicht im Unterricht behandelt wurde, obwohl es im Lehrplan stand. Drei erwachsene Kinder aus verschiedenen Ehen hat der 59-Jährige und dazu ein fünf Jahre altes Töchterchen. Um die Familie möchte er sich nun mehr kümmern, außerdem um seinen Wahlkreis. Landtagsabgeordneter bleibt er. Minister habe er eigentlich nur einige Zeit sein wollen, erzählt er. Zwei Jahre vor der Landtagswahl 2019 sei der richtige Zeitpunkt für einen Wechsel. Das es zwei Tage nach der Bundestagswahl geschah und nicht etwa zwei Tage davor, ist sicher kein Zufall.

Spät noch einmal Vater zu werden, kann belastend sein. Doch als die damals erst zehn Monate alte Tochter 2012 wegen einer leichten Erkältung nicht in die Kita konnte, da nahm der Papa sie mit ins Ministerium und erledigte seine Arbeit mit dem Kleinkind auf dem Schoß. Er wirkte trotz allem frisch und wach. Aber da war er auch noch Sozialminister. Anfangs hatte Baaske als Minister ein bisschen was von einem Sonnyboy. Der Eindruck ließ mit den Jahren zwar nach, hat sich aber nie ganz verflüchtigt. Ihm haftet nicht der sprichwörtliche sozialdemokratische Stallgeruch an, obwohl er die Partei 1989 in seinem Heimatkreis mitgegründet hat und Sozialbeigeordneter in Potsdam-Mittelmark war, bevor er nach Potsdam ging. Er duftet nach Kreativität. Von 1989 bis 1993 wirkte er nebenberuflich als Manager der gerade damals sehr bekannten Band »Keimzeit«. Im Bad Belziger Ortsteil Lütte, wo die Musiker herkommen, da wohnt er.

Baaske ist genauso wie der frühere Ministerpräsident Matthias Platzeck und wie der aktuelle Ministerpräsident Dietmar Woidke ein SPD-Politiker, der in persönlichen Begegnungen beim Volk sehr gut ankommt und insofern für die Partei von großem Wert ist. Als Müllmann, Erzieher oder Altenpfleger im Sommerpraktikum behielt er Tuchfühlung zu Sorgen und Nöten der Bevölkerung, inszenierte dies allerdings auch geschickt. Sein soziales Engagement wirkte dennoch absolut glaubwürdig, obwohl er nicht als Gegner von Hartz IV in Erscheinung getreten ist und obwohl die Arbeitslosenzahlen, die er ursprünglich halbieren wollte, nach seinem Amtsantritt zunächst einmal noch gestiegen waren. 2003 erreichte die Erwerbslosenquote den höchsten Wert. Ehrlicherweise muss gesagt werden: Das lag nicht in seiner Macht.

Nachfolgerin Baaskes soll Britta Ernst (SPD) werden. Die 56-jährige Ehefrau des Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD) war bis Sommer Bildungsministerin in Schleswig-Holstein. Dann wurde Rot-Grün dort abgewählt und durch eine Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP ersetzt. Dass die SPD unmittelbar nach einem Rücktritt sofort ein neues Gesicht präsentiert, ist ein bewährtes Verfahren. Amtswechsel werden vorbereitet. Für Spekulationen bleiben allenfalls ein paar Minuten.

Britta Ernst besuchte am Dienstag gleich die Sitzung der Linksfraktion. Dort war man von ihr sehr angetan und angenehm überrascht, schilderte der Fraktionsvorsitzende Ralf Christoffers. Sie habe in Schleswig-Holstein ähnliche Schwerpunkte gesetzt wie die Bildungspolitiker in Brandenburg. Ernst habe erklärt, nicht mit einem Zehn-Punkte-Plan gekommen zu sein, sondern sich von den Gegebenheiten in Brandenburg zunächst ein Bild machen zu wollen. Man freue sich auf eine »Sichtweise von außen«.

Derweil gelingt die richtige Schreibweise von Günter Baaske auch heute noch nicht jedem. In einer Pressemitteilung kritisierten die Jungen Liberalen den Zeitpunkt des Rücktritts von »Günther« Baaske. »Die Berichterstattung zur Bundestagswahl soll diesen zweifelhaften Wechsel übertönen«, vermutete ihr Landesvorsitzender Matti Karstedt. Ein Personal- und Politikwechsel sei im Bildungsressort nach dem »Versagen und Kaputtsparen« der letzten Jahre tatsächlich nötig. Die SPD taktiere aber nur.

Dagegen äußerte die Landtagsabgeordnete Kathrin Dannenberg (LINKE) in der korrekten Schreibweise, »Günter Baaske hatte sich in seinem Ressort gut eingearbeitet und war uns ein kompetenter sowie zuverlässiger Partner. Gemeinsam haben wir in den letzten drei Jahren viel geschafft. Stichworte: viele zusätzliche Lehrerstellen und die Verbesserung der Kitabedingungen.« Anders als von Dannenberg dargestellt, machte Baaske zumindest nach außen hin aber nicht den Eindruck, dass er der Idee der Gemeinschaftsschule aufgeschlossen gegenüberstehe.

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