Mit Sekt und Schnittchen

Zwei Berliner Standesämter öffnen am Sonntag die Türen für die ersten gleichgeschlechtlichen Eheschließungen

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

»Natürlich feiern wir«, sagt Bodo Mende. Am Sonntag wird er heiraten. Seit 1979 ist er bereits mit Karl Kreile liiert, seit 2002 leben sie in einer eingetragenen Partnerschaft. »Damals haben wir abends noch eine Party gemacht. Jetzt werden wir etwas gediegener im Standesamt Sekt trinken und Schnittchen essen und anschließend machen wir zwei uns einen wunderbaren Tag.«

Ab Sonntag, dem 1. Oktober, gilt in Deutschland die Ehe für alle. Gleichgeschlechtliche Paare werden dann heterosexuellen Paaren gleichgestellt. Rein rechtlich ändert sich vor allem, dass zwei Männer oder zwei Frauen künftig auch Kinder adoptieren dürfen. Für Mende hat die Gesetzesänderung aber einen großen symbolischen Wert - persönlich und politisch. »Wir sind dann kein Paar zweiter Klasse mehr.« Mit der Einführung der eingetragenen Partnerschaft 2001 sei Deutschland Vorreiter gewesen. »Mittlerweile ist Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern nur noch Mittelmaß.« Doch das wird sich jetzt ändern. Um zu unterstreichen, wie wichtig dieser Schritt ist, öffnen in Berlin zwei Standesämter ausnahmsweise an einem Sonntag die Türen. In Friedrichshain-Kreuzberg können sich zehn Paare trauen lassen, sowohl homo- als auch heterosexuelle. Acht haben sich bereits angemeldet.

Bodo Mende und Karl Kreile werden sich in Tempelhof-Schöneberg das Ja-Wort geben. Rein rechtlich ist es eine »Umschreibung«, da sie ihre Partnerschaft ja bereits eintragen lassen haben. Mende und Kreile werden in dem Bezirk am Sonntag das einzige Paar sein. Am Montag wird ein weiteres Paar getraut. Insgesamt haben sich in dem Bezirk bereits 50 Paare zur Ehe für alle angemeldet. Wer kurzfristig noch die Ehe schließen will: Es sind auch in der kommenden Woche noch Plätze frei.

In Neukölln warten neun gleichgeschlechtliche Paare auf die Eheschließung, heißt es aus dem Bezirksamt. Die Zahl der Anträge habe im Vergleich zur eingetragenen Partnerschaft bisher nicht zugenommen, sagt ein Sprecher. Zahlen zu gleichgeschlechtlichen Eheschließungen soll es künftig in Neukölln vermutlich nicht mehr geben: Bei der Anmeldung werde nicht abgefragt, ob es sich um zwei Männer oder zwei Frauen oder um ein heterosexuelles Paar handele, so der Sprecher.

Das gilt auch für andere Bezirke wie Mitte oder Treptow-Köpenick, wo Eheschließungen auch ohne Termin möglich sind. Ist eine Zeremonie erwünscht, müssen gleichgeschlechtliche Paare genauso wie heterosexuelle auf einen Termin warten, teilt Oliver Igel mit, Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick(SPD). In Pankow sind bereits rund 15 Termine angefragt. Heiraten können gleichgeschlechtliche Paare dort aber erst einmal nicht: »Wir haben wegen der nach wie vor kritischen Situation beim Personal erst wieder im Dezember freie Termine«, schreibt der Stadtrat für Bürgerdienste Vollrad Kuhn (Grüne).

In Brandenburg hält sich die Zahl der bisherigen Anmeldungen für die Ehe für alle in Grenzen. Für den 2. Oktober ist laut Deutscher Presse-Agentur eine gleichgeschlechtliche Eheschließung geplant. Insgesamt sollen sich bislang zwölf Paare angemeldet haben. Die Standesbeamten könnten sich allerdings noch nicht darauf vorbereiten, weil die Beurkundungssoftware das nicht zulasse: Die notwendigen Programmänderungen erfolgten erst zum 1. Oktober, früher könnten keine Unterlagen ausgedruckt werden.

Die Beispiele zeigen: Die Verwaltung macht bei der Eheschließung künftig keinen Unterschied mehr zwischen homo- und heterosexuellen Paaren. »Doch das musste alles durchgekämpft werden«, sagt Bodo Mende. Er ist Vorstandsmitglied des Lesben- und Schwulenverbands Berlin-Brandenburg. 1979 engagierte er sich in der »Homosexuellen Aktion Westberlin«, wo er auch Karl Kreile kennenlernte. 1992 beteiligte sich Mende an der »Aktion Standesamt«. 250 schwule und lesbische Paare beantragten am 19. August des Jahres in rund 100 Gemeinden in ganz Deutschland das Aufgebot. Da die Standesämter ihnen die Eheschließung verweigerten, riefen etwa 100 Paare die Gerichte an. In den meisten Fällen wurden die Anträge zurückgewiesen. Nur wenige Paare hatten zunächst Erfolg, mussten letztlich aber doch eine rechtliche Schlappe hinnehmen.

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