Briefwahl ohne Briefe

Niedersachsen: Für die Vorbereitung der Abstimmung am 15. Oktober blieb nur wenig Zeit

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit ihrem Übertritt zur CDU-Landtagsfraktion hat die ehemalige Grünen-Abgeordnete Elke Twesten nicht nur frühere Parteifreunde, den Ex-Partner SPD und Wähler verärgert, sondern auch potenziellen Briefwählern Probleme bereitet. Denn wegen des Wechsels der Politikerin und dem damit verbundenen Verlust der Einstimmen-Mehrheit von Rot-Grün ist die Neuwahl vorverlegt worden - auf den 15. Oktober. Das wiederum hatte zur Folge, dass nur wenig Zeit zum Drucken der Briefwahl-Unterlagen zur Verfügung stand. In mehreren Kommunen, beispielsweise in Lüneburg, waren die Papiere zum Abstimmen per Post noch nicht fertig, als Wählerinnen und Wähler diese vor ihrer mehrwöchigen Urlaubsreise abholen wollten.

Bleibt die Alternative: Entweder den Urlaub stornieren oder auf das Wählen verzichten. Zwar kann man sich die Unterlagen ins Ferienquartier nachschicken lassen, aber: Wohin soll die Sendung gehen, wenn Wahlwillige Tag für Tag mit dem Wohnmobil unterwegs sind? Und womöglich kommt der ausgefüllte Stimmzettel aus weit entfernten Orten erst dann wieder in Deutschland an, wenn die Niedersachsen-Wahl schon gelaufen ist.

Die Druckereien trifft keine Schuld an diesem Missstand. Ursache des Debakels ist das enge Zeitkorsett, in das der vorverlegte Termin die Landeswahlleitung gebracht hat. Denn die konnte erst zum 19. September endgültig feststellen, wer sich um den Einzug ins Leineschloss bewirbt, welche Namen und welche Parteien auf die Stimmzettel gedruckt werden müssen. Wählbar sind 15 Parteien, alphabetisch betrachtet von der AfD bis zur »V-Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer«.

Drei Parteien wurden nicht zur Landtagswahl zugelassen, weil sie nicht die gesetzlich gebotenen Unterschriften von mindestens 2000 Unterstützern vorweisen konnten. Unter den so Gescheiterten sind auch die »Republikaner« (REP), eine bundesweit nur noch rund 4500 Mitglieder zählende Kleinpartei am rechte Rand.

Ernsthafte Chancen, Abgeordnete in den Landtag entsenden zu können, dürften nur sechs Parteien haben. Die noch regierenden Koalitionäre SPD und Grüne, die Oppositionellen, also CDU und FDP, sowie die LINKE, die nach fünf Jahren Parlamentsabstinenz wieder zurück ins Plenum möchte, und erstmals die AfD.

Welche Parteien mit welchen Kandidaten aus den 87 niedersächsischen Wahlkreisen die 137 Sitze im neuen Plenarsaal des Leineschlosses besetzen werden, darüber können am 15. Oktober rund sechs Millionen Niedersachsen bestimmen, die mindestens das 18. Lebensjahr vollendet haben. Fast alle Bundesländer haben das aktive Wahlrecht an dieses Alterslimit gebunden; nur in Brandenburg, Bremen und Hamburg dürfen bereits 16-Jährige das jeweilige Landesparlament mit wählen.

Wie viele Niedersachsen ihr Recht zum Urnengang wahrnehmen werden, lässt sich nur schwer vorhersagen. Bei der Bundestagswahl am 24. September lag die Wahlbeteiligung im Land zwischen Nordsee und Harz bei 76,4 Prozent, das sind drei Prozentpunkte mehr als bei der vorhergegangenen Wahl im Jahr 2013. Das Interesse an den Landtagswahlen fiel dagegen in den vergangenen Jahren deutlich ab. So lag die Beteiligung 2013 bei 59, fünf Jahre zuvor nur bei 54 Prozent. Bei allen anderen Landtagswahlen seit 1951 gaben durchschnittlich 75 Prozent der Berechtigten ihre Stimmen ab. 1974 wurde mit 84 Prozent die bislang höchste Beteiligung an einer Landtagswahl in Niedersachsen registriert.

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