Hoffnungsschimmer für Pendler

Berlin und Brandenburg wollen Regionalbahnausbau gemeinsam voranbringen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wir gehen heute zu dritt einen großen Schritt vorwärts. Aber nicht quer durcheinander, sondern in die gleiche Richtung«, freut sich Brandenburgs Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (SPD) am Dienstagmittag. Wenige Minuten später unterzeichnet sie zusammen mit Ronald Pofalla, Infrastrukturvorstand der Deutschen Bahn (DB) sowie Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) die »Rahmenvereinbarung über das Entwicklungskonzept für die Infrastruktur des Schienenverkehrs in Berlin und Brandenburg«.

Acht Schienenverkehrskorridore, die die beiden Bundesländer verbinden, soll ein gemeinsamer Lenkungskreis mit der DB untersuchen. So zum Beispiel die Strecke von Spandau nach Nauen, die Stammbahn zwischen Potsdamer Platz und Potsdam über Zehlendorf und die Heidekrautbahn, die das nördliche Umland einst mit Reinickendorf verband, nun aber von der alten Stammstrecke nach Karow abschwenkt.

Es sind Projekte, über die schon sehr lange diskutiert wird - und bei denen die Mark und die Hauptstadt lange überkreuz lagen. Soll ins Havelland eine S-Bahnstrecke oder ein zusätzliches Regionalbahngleis gelegt werden, ist einer dieser langjährigen Streitpunkte. Brandenburg war auch lange nicht bereit, über zusätzliche Züge überhaupt nachzudenken. Und Berlin wollte nicht bezahlen für Züge, die aus dem Umland weiter in die Stadt fuhren. »Wegkommen von endlosen Debatten« wolle man mit der Vereinbarung, erklärt Schneider.

Der Handlungsbedarf ist groß. 300 000 Menschen pendeln täglich in die Hauptstadt hinein, 180 000 fahren wiederum ins Umland. in den letzten 20 Jahren haben sich die Zahlen verdoppelt. »Wir wollen nicht nur für die Menschen in der Innenstadt Alternativen zum Auto schaffen, sondern auch für Pendler«, sagt Regine Günther. Damit sollen auch Probleme beim Klimaschutz und den Stickstoffoxidemissionen in Angriff genommen werden. »Aber inzwischen bekommen wir die Züge gar nicht mehr auf die Gleise, die wir bestellen wollen«, berichtet Schneider. Die Infrastruktur der Bahn ist ausgereizt.

Die nun geschlossene Vereinbarung sei einmalig in Deutschland, erklärt DB-Vorstand Pofalla. Denn die acht vereinbarten Korridore werden nach der entsprechenden grundsätzlichen Bewertung und Priorisierung bis zum genehmigungsreifen Entwurf vorgeplant. Üblicherweise ist nach der Vorplanung zunächst Schluss, bis Bundesmittel gesichert sind. Berlin und Brandenburg gehen künftig finanziell in Vorleistung. »Das geplante Vorgehen verkürzt die Planungszeiten erheblich«, so Pofalla.

»Wir haben schon mal geübt bei der Planung des zweigleisen Ausbaus nach Cottbus«, sagt Schneider. Um schneller den nötigen Ausbau zu bekommen, streckt Brandenburg Planungsmittel in Millionenhöhe vor. Bei Realisierung des Projekts überweist der Bund das Geld ans Land. Ob das zweite Gleis tatsächlich gebaut wird könne man aber noch nicht sagen, dämpft Pofalla die Euphorie.

Letztlich geht es darum, Projekte in der Schublade zu haben. Immer wieder stehen kurzfristig Bundesmittel zur Verfügung, die meist in den Straßenbau gehen, weil es dort genug solche Schubladenprojekte gibt.

»Sehr viel Nachholbedarf« bei der Bahninfrastruktur attestiert Anita Tack, Verkehrsexpertin der brandenburgischen Linksfraktion. Sie freut sich, dass nun gemeinsame Grundlagen worden sind. Auch die Grünen im Potsdamer Landtag begrüßen die bessere Zusammenarbeit.

Einen »Hoffnungsschimmer für die desillusionierten Fahrgäste«, nennt Christfried Tschepe vom Berliner Fahrgastverband IGEB das Papier. Auch wenn es bisher nicht viel mehr als eine Absichtserklärung ist.

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