ÖPNV gleich Schulbus

Enquetekommission des Landtags wertet Umfrage zum Öffentlichen Nahverkehr aus

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

In vielen Regionen Brandenburgs ist der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) mit dem Schulbus nahezu identisch. Das heißt: Es fährt dort nur noch der Schulbus und sonst nichts. Es gehört zu den Pflichtaufgaben der Kommunen, Kinder und Jugendlichen die Fahrt zur Schule zu ermöglichen. Mit einsteigen dürfen aber auch andere Fahrgäste. Der Schulbus ist für manche alten Leute die einzige Möglichkeit, zum Arzt, zur Apotheke oder zum Einkaufen in die nächste Stadt zu kommen.

Das gehört zu den Ergebnissen einer Umfrage, die die Enquetekommission »Ländlicher Raum« unter den Kreisen und kreisfreien Städten durchführen ließ. Von der Landtagskommission damit beauftragt war die Innoverse GmbH.

Vor allem die sechs Landkreise, die keine Grenze zu Berlin haben, waren hier im Fokus, sagte Hans Leister, Senior Consultant der auf Beratung von Unternehmen aus der Eisenbahn- und Verkehrsbranche spezialisierten Innoverse GmbH am Freitag bei einer Anhörung in der Kommission. Zu den Handlungsempfehlungen gehört, genauere Bevölkerungsprognosen zu erstellen, weil die aktuellen Trends in allen Kreisen derzeit im Widerspruch zu den langfristig vorausgesagten Entwicklungen stünden.

Leister informierte über den Wunsch der kommunalen Ebene, mehr Einfluss auf Unterrichtsbeginn und -schluss zu gewinnen, um über einen solchen »Durchgriff« den Verkehr auch für die übrigen Einwohner effektiver zu gestalten. Noch sei vielerorts der Schülertransport die verlässlichste Säule des ÖPNV. Doch sei mit weiteren Rückgängen der Schülerzahlen zu rechnen, was Auswirkungen auf die Schulbusse habe. Berlinferne Kreise sind für das »Modell Hessen«, also die Übernahme der Fahrkosten für Schüler durch das Land, die berlinnahen Kreise sehen das mehrheitlich anders, sagte Leister.

Zum Vorschlag, auf viel befahrenen Hauptstrecken im flachen Landsogenannte landesbedeutende Buslinien einzurichten, für die das Land finanziell zuständig sein könnte, heißt es dagegen, die Kreise seien davon nicht begeistert, weil ihnen hier Einnahmen verloren gehen würden.

Die in einigen Jahren vorgeschriebene Barrierefreiheit für alle Haltestellen und Bahnhöfe wird offenbar als weniger drängend gesehen, obwohl von einer weiteren Überalterung es ländlichen Raums ausgegangen werden muss. Wer tatsächlich gebrechlich und ohne Hilfe (vor allem ohne Auto) sei, der bleibe in der Regel in einem schlecht ans Nahverkehrsnetz angebundenen Dorf nicht wohnen, sondern ziehe in eine benachbarte Stadt, sagte der Experte. Das Thema sei »ganz schwierig« und die Kreise fühlten sich von Land allein gelassen. Der Zuzug auch von jungen Familien finde real wesentlich häufiger statt als angenommen, fügte er hinzu, doch »die bewegen sich mit dem Auto«. Es sei eine eher vergebliche Hoffnung, dass ein besseres Busangebot mehr Passagiere nach sich ziehe. Wichtig wäre, die Schüler mit positiven Schulbuserfahrungen zu halten. »Das könnten die Passagiere von morgen sein.«

Zum Thema Rufbus merkte der Landtagsabgeordnete Henryk Wichmann (CDU) an, das Konzept sehe zwar »auf dem Papier« gut aus, funktioniere aber in der Praxis viel zu schlecht. Dass die Rufzentrale häufig nicht besetzt sei, das sei nur eines der Probleme. Bei einem Rufbus müssen Fahrgäste den Wunsch, mitgenommen zu werden, rechtzeitig anmelden, damit der Bus einen Schlenker zu ihrer Haltestelle macht. Sonst fährt der Bus auf dem schnellsten Wege an diesem Ort vorbei. Eine gelungene Verknüpfung zwischen Bus und Regionalzug entscheidet maßgeblich über die Nutzung des ÖPNV, so lautet ein weiteres, auch naheliegendes Umfrageergebnis. Vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) erwarten die Landkreise eine frühzeitige Ankündigung von Änderungen im Fahrplan, um ihrerseits mit neuen Busfahrplänen darauf reagieren zu können. Obwohl im Einzelnen Wünsche gegenüber dem VBB offen bleiben, gilt der Verkehrsverbund in den Kreisen als alternativlos und zeitgemäß.

In der Enquetekommission wurde unter anderem diskutiert, weshalb eine S-Bahn-Fahrt auf der beträchtlichen Distanz zwischen den Berliner Bezirken Spandau und Köpenick 2,80 Euro koste, während für die gleiche Strecke in den ländlichen Weiten ein viel höherer Preis verlangt werde. Zur Wahrheit dazu gehört allerdings auch die Erfahrung der S-Bahn-Kunden, dass die relativ kurze Distanz zwischen Potsdam und Berlin-Westkreuz sogar 3,40 Euro kostet.

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