Die Narrheit des Menschengeschlechts

Harald und Robert Metzkes - Vater und Sohn - stellen ihre Werke in der Galerie Sandau & Leo aus

  • Klaus Hammer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Welt ist ein Zirkus, scheint der Maler Harald Metzkes zu sagen. Und wir alle sind Artisten, Clowns, Narren in einer geschlossenen Zirkuswelt, wo jeder von uns eine beschränkte Aufgabe zugewiesen bekommt. Auf den Bildern des in Wegendorf (Brandenburg) lebenden Altmeisters tobt sich die Narrheit des Menschengeschlechts aus. Das Prosaische dieser Gestalten mit ihren Mützen, Masken und geschminkten Gesichtern, in ihren bunten Kostümen, ihren erstarrten Gesten wie ekstatischen Haltungen - all das verleiht der Szene trotz ihres transparenten Lichtes ein Gefühl der Fremdheit, des Bedrohlichen, eine surreale Atmosphäre.

»Vier Männer, vier Frauen« wollen auf »vier Leitern« (2016, Öl auf Leinwand) ihre äquilibristischen Kunststücke zeigen - wird es ihnen gelingen? Was zunächst wie ein frohes Treiben beim »Schlittschuhfahren« (2017) anmutet, erweist sich bei genauerem Hinsehen als ein gefährliches Wagnis, das Stürze mit einschließt. Die von einer schaulustigen Menge beobachteten »PS Kapriolen« (2015) der waghalsigen Motorradfahrer auf einer schier unüberwindbaren Bahnschleife werden ohne tödliche Unfälle nicht abgehen.

»Die Rettung« (2011) kann als Sinnbild der Vergänglichkeit aller Existenz, des Erlöschens jeder Illusion, jeder Vorspiegelung eines anderen als des gewohnten Seins verstanden werden. Jeder der Kostümierten bietet in »Die Akquisition« (2016) einem Unternehmer seine Maske, seine Kopfbedeckung, sein Musikinstrument an - das, was ihm Schutz und Identität verliehen hat. Orientierungsverlust und vergebliche Erneuerungshoffnung kommen in »Galimathias« (2016) zusammen. Es ähnelt einem Wimmelbild mit versteckten Figuren, Gegenständen, Situationen, Begebenheiten, Zahlen und Buchstaben, die kombiniert werden müssen. Selbst von den Stillleben geht etwas Bedrohliches aus.

Bei Metzkes kann jeden Augenblick die Situation umkippen; das »labile Gerüst vor Publikum«, so auch der Titel eines Bildes von 1992, droht jeden Moment zusammenzustürzen. Die komplexe Überlagerung von Themen taucht die Szene ins Geheimnisvolle und verleiht ihr ihre poetische Dimension. Auf unsicheren Leitern klettern die Figuren nach oben, die schleifenförmige Bahn lässt sie in die Tiefe stürzen.

Mütze und Maske sind des Malers Schutzmarke geworden, unter denen er das Karnevalstreiben beobachtet, das mehr einer Aschermittwochstimmung gleicht. Die Lust am schönen Schein erweist sich als Lug und Trug, artistisches Spiel schlägt in Gewalt um oder führt zur Katastrophe.

Seine philosophische Einstellung erlaubt Metzkes einen erweiterten Blickwinkel. Nähe und Ferne, Qual und Ironie, Capriccio und geistige Souveränität halten sich die Waage. Er durchmisst die Strecke von der Komödie bis zum absurden Theater, und es gelingt ihm, in seiner Kunst das Erschreckende ebenso unmerklich wie entschieden sichtbar zu machen.

»Menschliche Komödie« lautet der Titel dieser Ausstellung, der die Gemälde des Vaters, Harald Metzkes, mit den engobierten Terrakotten und Bronzen des Sohnes, Robert Metzkes, vereint. Der Berliner Bildhauer und Zeichner Robert Metzkes ist in unserem Umkreis wohl der Einzige, der sich so kontinuierlich der farbig engobierten Terrakottaplastik gewidmet hat. Er bemalt die Figur vor dem Brennen mit mineralisch eingefärbtem Tonschlicker (Engobe), der nach dem Brennen eine matte bis mattglänzende Oberfläche ergibt.

Das beherrschende Thema seiner Plastiken ist die Realisierung des Stehens, Sitzens, Liegens und der Grundbewegungen des Körpers. Die stillen, in ihre Gedanken versunkenen Menschenbilder verbindet antikische Idealität; Kunstgestalt und Natur, Abbild und Abstraktion kommen hier zusammen. Sie atmen den gelassenen Geist der mediterranen Welt und sind zugleich sinnliche Porträts der heutigen Generation. Aus dieser Spannung von Irritation und Identifizierung erwächst der Reiz der Plastiken.

Seine Figuren, Solitäre wie Gruppenfiguren, Torsi, Büsten und Köpfe, leben durch einen starken individuellen Ausdruck. Schon das Neigen eines Körpers, der Kontur, die Haltung der Arme, die Verschränkung der Hände, sagt Metzkes, würden der »Erinnerung Nahrung« geben. Was Gliedmaßen, Becken und Rumpf miteinander verbindet, ist eine weich fließende Kontur, der das Auge gerne folgt. Es gibt in diesem Formenorganismus nur Übergänge, keine Bruchstellen. Daraus lässt sich auf eine Gestaltungsabsicht schließen: Ein kontinuierlicher Kräftestrom soll einmal als Ausdehnung und Schwellung, das andere Mal als Zusammenziehung in Erscheinung treten (»Figurengruppe mit Janus«, 1998, Bronze).

Der wache, prüfende Blick aus weit geöffneten Augen (so in der Bildnisbüste »M.«, 2017) gilt nicht uns, den Betrachtern; die Figuren wenden den Blick weg, oder sie schauen durch uns hindurch. Keine Bewegung ist in seinen Porträts, keine Geste in den Gesichtern, ja nicht einmal Atmen, nur die Stille antiker Ferne. Alles fließt wie in geschlossenen Kreisen.

»Harald Metzkes und Robert Metzkes: Menschliche Komödie«, bis zum 18. November in der Galerie Sandau & Leo, Tucholskystr. 38, Mitte

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