»Zebhorn« - oder Signale aus dem Jutesack

Wie der Verfassungsschutz in eigener Sache Werbung betreibt

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Jüngst hat sich Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen bei einer Anhörung im Parlament einen besser gefüllten »Werkzeugkasten« gewünscht. Denn: Die Zeiten sind gefährlich und alles, was irgendwie nützlich ist bei der Abwehr des jeweilig Bösen, kann wichtig sein. Pfefferminzbonbons beispielsweise. Die helfen gegen Mundgeruch. Mundgeruch ist böse. Verteilt der Verfassungsschutz deshalb gerne diese kleine Schächtelchen mit dem Frische-lutschgenuss? Falls ja, warum vorwiegend im Bereich »Geheim- und Sabotageschutz«? Fragen über Fragen, die die scheidende Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak aus der Linksfraktion alle mal gestellt hat. Ob der Juristin die Antworten im Sinne von Bürger- und Menschenrechten voranhelfen? Eines ist klar. Selbst die schärfsten Pfefferminz-Dragees können den üblen Geruch nicht überdecken, der Maaßens Behörde wegen allerlei Skandale und Gesetzesübertretungen anhaftet.

Doch man kennt ja den Spruch: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Da Geschenke so bestechlich klingen, reden wir also lieber von Merchandising, also von Werbemitteln. Immer drückt einem irgendjemand irgendetwas mit Aufdruck in die Hand. Mal steht CDU auf dem Luftballon, mal Coca Cola auf der Zuckertüte. Demnächst verschenkt VW sicher auch kleine Batterien als Zündschlüsselanhänger.

Und nicht anders hält es das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Als Wawzyniak nach dessen Geschenken fragte, erfuhr sie zunächst einmal, wie grundgesetzfleißig die Schlapphüte sind. Vor allem aber, dass es gar keine Schlapphüte gibt. Nicht mal mit Geheimdienstlogo oder einem der berühmten Bundesvögel an der Stirn. Wer dennoch so etwas am Kopf haben will, kann nur ausweichen auf ein Basecap. Das wird im Bereich »Öffentlichkeitsarbeit« des BfV angeboten. Neben Kaffeebecher oder Schreibsets. Total toll sind auch die Ausweisjojos. Die zeigen - am Jackettfutter festgetackert - mal wieder ganz unauffällig die Überlegenheit des westlichen Systems über die doofen Kommunisten. Die Typen von der Stasi mussten ihre Ausweise noch mit einem Kunstlederband am Hosenträgerclip sichern.

Doch das BfV kann noch mehr - verteilen. Für die Personalgewinnung setzt man Kugelschreiber, Turnbeutel (aus Baumwolle), Schraubendreherstifte (mit Licht), Schlüsselanhänger (ohne Schlüssel), Collegeblöcke, Hardcoverboxes (mit Klebezetteln), Textmarker und Gesetzestexttaschen ein. Nur Taschen? Will der Geheimdienst damit etwa signalisieren, dass der Inhalt aus seiner Sicht nicht allzu wichtig ist?

Werbung, Verzeihung Merchandising, ist bekanntermaßen nicht billig. Doch als die Abgeordnete Wawzyniak nach den Kosten fragte, wurde sie darauf hingewiesen, dass sie der »Wirtschaftsplan gemäß Paragraf 10a der Bundeshaushaltsordnung« einen feuchten Staub angeht. Der ist aus guten Gründen geheim. Nicht jedoch das, was man im bereits erwähnte Bereich »Geheim- und Sabotageschutz« noch so »abstauben« kann. Da gibt es als »Premiumwerbemittel« ein Notizbuch »Im Ausland unterwegs« - was man eigentlich eher beim für alle Welt zuständigen Bundesnachrichtendienst vermutet hätte. Bleibt noch der Bereich »Wirtschaftsschutz«. Der lockt unter anderem mit Cashewnüssen (Knabbern statt quatschen?) und einem »Schlüsselwiederfinder«. Ob sich das Gerät vielleicht zu einem »Aktenwiederfinder« umrüsten lässt? Das wäre toll, dann könnte der Verfassungsschutz bei einem gewiss bald wieder tagenden Geheimdienst-Untersuchungsausschuss schneller und vor allem vollständig auf die Wünsche der Parlamentarier reagieren.

Was denkt man sich wohl in der Kölner Zentrale, wenn einem der freundliche Nachbar oder die ebenso nette Nachbarin vom Geheimdienst einen Zettelblock schenken soll, auf dem ein »Zebhorn«, also so ein Ding, das vorne ein Zebra und hinten ein Nashorn zu sehen ist? Das Amt gibt Bescheid: »Die Motivauswahl orientiert sich zum einen an der Zielgruppe für ein bestimmtes Werbemittel, zum anderen an der zu transportierenden ›Botschaft‹«. Was bedeutet, das Zoologen oder Förster nicht als Empfänger des Zettelblocks infrage kommen. Der soll »durch die Verbindung/Vermischung von Zebra und Nashorn« auf die Gefahr hinweisen, »dass falsche Tatsachen vorgegeben werden könnten, um eine vermeintliche Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe zu suggerieren«. Und wozu das? Natürlich um geschützte Informationen abzuschöpfen.

Apropos Informationen abschöpfen - eine hat die Linksfrau dem Geheimdienst durch eine hinterlistige Frage doch entlocken können. Ganz clever wollte sie wissen, ob der angebotene BfV-Jutebeutel als »Abschirmtasche geeignet« ist, in dem sich elektronische Geräte transportieren lassen, ohne dass deren Signale geortet werden können? In der Antwort tun die Geheimen erst ganz ahnungslos. Dann aber lassen sie die Katze doch aus besagtem Stoffdingens. Eine solche Funktion, so die Auskunft des Verfassungsschutzes, dürfte »bezweifelt werden«.

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