Flucht in die Zukunft

Bremens neue Kommission steht in der Kritik

  • A. Cäcilie Bachmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Bisher war Carsten Sieling nicht sonderlich in Erscheinung getreten, ja vielen Bremer Bürgern nicht mal bekannt. Der SPD-Politiker war vor zweieinhalb Jahren nach der Bremer Bürgerschaftswahl überraschend Senatspräsident des Zwei-Städte-Landes Freie Hansestadt Bremen geworden, weil sein Parteikollege Jens Böhrnsen unerwartet die Wahl nicht annahm.

Sielings Bekanntheitsgrad hat sich nun schlagartig geändert durch seine umstrittene Idee einer Zukunftskommission, deren Umsetzung auch schon in Gang gebracht wurde. Letzteres war ebenfalls eine Überraschung angesichts seines sonst eher unauffälligen bis unbemerkbaren Regierungsstils. Die Kommission »Zukunft Bremen 2035« genannte Institution umfasst alle Senatsmitglieder plus Bremerhavens Oberbürgermeister. Sieling hat den Vorsitz.

Als Senatspräsident ist Sieling auch Bürgermeister der Stadt Bremen. Das ebenfalls zum Bundesland gehörende Bremerhaven hat mit Melf Grantz einen eigenen Oberbürgermeister, ebenfalls von der SPD. Der Bremer Senat besteht aus vier Frauen und vier Männern, fünf Mitglieder gehören der SPD an, drei den Grünen.

In der Kommission gibt es drei Untergruppen - Perspektivgruppen genannt, die zu den Themen Infrastruktur, Stadtentwicklung und Qualifizierung, was vorrangig Bildung meint, Visionen für Bremen entwickeln sollen. In diese Gruppen wurden Vertreter aus Behörden, den drei Kammern für Arbeitnehmer, Handel und Handwerk sowie externe Fachleute berufen - »normale« Bürger nicht. Das führte zu Unruhe.

Auch die Tatsache, dass sich eine Zukunftskommission mit Problemen beschäftigt, die sehr schnell in der Gegenwart gelöst werden müssten, führte zu bissigen Kommentaren. Sieling hat eine recht komplexe Arbeitsstruktur erdacht, Sitzungen der einzelnen Gremien gehören dazu, aber auch gemeinsame Tagungen aller Beteiligten sowie Klausuren.

Derweil machte das Wahlvolk aus Sielings Idee, Bremen solle sich neu erfinden, schnell die böse Parole, Bremen brauche keine neuen Erfindungen sondern eine neue Regierung. Zumal wenn erste Ideen, die durchsickerten, etwa in der lapidaren Erkenntnis bestehen, Bremen brauche eine Verzahnung von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, alles auf die Hansestadt zugeschnitten.

Auch stößt es auf breites Unverständnis, dass sich die gesamte hansestädtische Regierungsriege plus auswärtiger Sachverständiger die Köpfe zerbrechen sollen, wie die Millionen ausgegeben werden können, die Bremen ab 2020 erwartet - durch die dann erreichte Schuldenfreiheit und die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Aus der CDU kommt die Kritik, dass Bremens Straßen quasi gepflastert wären mit drängenden Themen wie Urbanisierung, Bildung, Kinderarmut, Einwohnergewinnung, Wirtschaftswachstum, die alle längst hätten angegangen werden müssen.

Für Bremens LINKE ist es nur eine Frage, die für Bremen dringend beantwortet werden muss: Wie kommt das Land endlich von der Schlussposition im Ländervergleich in fast allen sozialen Bereichen weg? Zudem befürchtet Kristina Vogt, Vorsitzende der Bremer Linksfraktion, dass mit der Kommission eine Dauerverhandlungsgruppe über zukünftige Haushaltseckwerte der einzelnen Ressorts eingerichtet wird. Und Vogt weist darauf hin, dass eine gewählte Regierung die aktuellen Probleme zu lösen habe. Die CDU sieht es ebenso, drückt das aber mit einem philosophischen Zitat aus, in dem Zukunft als Ausrede bezeichnet wird, jetzt nichts zu tun.

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