Frauen in Azubi-Berufen unterrepräsentiert
Auf einer Konferenz beraten ExpertInnen, wie mehr Chancengleichheit in Landesbetrieben hergestellt werden kann
»Ausbildungsplätze sind in Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, je Ausbildungsgang und Vergaberunde mindestens zur Hälfte an Frauen zu vergeben.« So steht es im Berliner Landesgleichstellunggesetz (LGG). Die Praxis sieht jedoch anders aus: Frauen sind in vielen Ausbildungsberufen nach wie vor in der Minderheit, insbesondere im technischen Bereich.
Warum das so ist und wie sich das ändern lässt, darüber wurde am Dienstag auf der Konferenz »Kulturwandel: Chancen mit mehr Frauen in Ausbildung« beraten, zu der die Fraktionen von SPD, Grünen und Linkspartei gemeinsam mit dem Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) eingeladen hatten. »Wir haben es nicht geschafft, so viele Frauen in Ausbildung zu bekommen, wie wir wollten«, eröffnet Martin Urban, Vorstandsvorsitzender des KAV, die Konferenz. »Nun müssen wir über sinnvolle Regelungen beraten, wie wir mehr Frauen dafür gewinnen.«
Eine dieser Regelungen, die in der rot-rot-grünen Koalitionsvereinbarung festgehalten ist, ist die eingangs erwähnte Reservierungsquote für Ausbildungsplätze. Wie also kann es sein, dass trotz Quote immer noch so wenige Frauen in Ausbildung sind? »Die jungen Frauen kommen nicht, sie bewerben sich nicht«, beklagt Staatssekretärin Barbara König (SPD). Das LGG sieht vor, dass, wenn nicht genügend Bewerbungen von Frauen vorliegen, die Ausschreibung zu wiederholen ist. Haben sich danach immer noch nicht genügend geeignete Kandidatinnen beworben, werden die Ausbildungsplätze nach der Bewerbungslage vergeben.
Es ginge nun darum, die Quote mit Leben zu füllen, so König. Dabei ginge es auch um Fragen wie Aufstiegsperspektiven und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dem schließt sich auch Jutta Almendinger an, die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin. »Die Lösung kann nicht darin bestehen, dass Frauen in ihrer Berufsbiografie zu Männern werden«, ist sie überzeugt. Sie plädiert daher für eine niedrigere Vollzeit-Berufstätigkeit sowie ein Überdenken der Frage von bezahlter und unbezahlter Arbeit insgesamt. Ein großes Problem sei zudem nach wie vor der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern. In diesem Zusammenhang sei das Entgelttransparenzgesetz von zentraler Bedeutung. »Man redet eher über Sex als über Geld«, kritisiert sie.
Almendinger, die sich als »absolute Quotenbefürworterin« bezeichnet, plädiert für eine Reservierungsquote für beide Geschlechter. Zwar biete sie in ihrer jetzigen Form enorme Vorteile, da sie Männerkulturen von unten aufbreche, insgesamt gehe es jedoch darum, von den typischen Männer- und Frauenberufen wegzukommen. Um diesem Problem der Stereotypisierung zu entkommen, bedürfe es eines integrativen Ansatzes sowie einer »gesellschaftlichen Aufwertung von hochgradig notwendigen Arbeiten«. Die Aufgabe, vor der die Gesellschaft stehe, sei schließlich »mehr Anerkennung und mehr Respekt - für alle von uns«.
Diesen Anspruch teilt auch Anwältin Nilüfer Hoboß. Ziel sei, dass es nicht mehr um Frauen oder Männer geht, sondern um Menschen. Dieses Ziel einer Welt, in der eine Quote nicht mehr nötig ist, sei jedoch nicht erreicht. Die Reservierungsquote sei daher überfällig, bisherige Maßnahmen würden nicht fruchten. Sie sei auch kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz, da eine Maßnahme, die bestehende Nachteile für Frauen ausräumt, keineswegs eine Diskriminierung von Männern darstelle.
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