Lachen, wenn’s zum Heulen ist

  • tbl
  • Lesedauer: 2 Min.

Fast ein Dreivierteljahr dauert die Gefangenschaft Deniz Yücels, des Berliner Türkei-Korrespondenten der »Welt«, nun schon. Seit Monaten sitzt er in Einzelhaft, und doch gibt es bisher weder eine Anklageschrift gegen ihn noch eine ernst zu nehmende Begründung des türkischen Regimes dafür, warum Yücel und zahlreiche andere deutsche und türkische Staatsbürger in Hochsicherheitsgefängnissen sitzen. »Gäbe es eine Anklageschrift, wüssten wir wenigstens, was die Anschuldigungen gegen Deniz sind, worauf sie beruhen und was die Beweise sind«, sagte Yücels Anwalt Veysel Ok am Freitag der »Westdeutschen Allgemeinen Zeitung«.

Bereits seit Monaten entsteht der Eindruck, Erdoğan und der ihm willfährige Justiz- und Polizeiapparat lassen wahllos alle verhaften, die es wagen, sich kritisch über den türkischen Staatspräsidenten zu äußern, der wohl nicht grundlos eine ähnliche Vorliebe für geschmacklose großkarierte Sakkos hegt wie der künftige AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland.

Die Bundesregierung, seit Monaten dazu aufgefordert, der Geiselnahme und Einzelhaft Yücels ein Ende zu machen, stellt sich derweil taub. Weder will sie die Geschäfte deutscher Unternehmen mit dem »Irren vom Bosporus« (Martin Sonneborn, Europaparlamentarier) gefährden noch den sogenannten Flüchtlingsdeal, den sie mit dem türkischen Regime ausbaldowert hat.

Dominik Bauer vom bekannten Zeichnerduo Hauck & Bauer hat nun gemeinsam mit anderen eine Cartoon-Lesung zugunsten von Yücel organisiert. »Dass wir einen Abend lang Witze machen, finde ich ganz passend, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass Deniz vom Istanbuler Haftrichter tatsächlich ein nacherzählter Witz zur Last gelegt wurde«, sagte Bauer dem Berliner Magazin »Tip«.

Und weiter: Es dürften »keine deutschen Gelder mehr an die Türkei« fließen, »solange deutsche Bürger dort ohne Grund gefangen gehalten werden. Und neben der Politik darf sich gerne auch die deutsche Wirtschaft für Menschenrechte einsetzen, z.B. ein so wichtiger Partner Erdoğans wie die Firma Siemens.«

Ihre Erdoğan-Witze vorlesen und ihre Cartoons zeigen werden heute neben anderen die Zeichnerinnen und Zeichner Flix, Til Mette, Katharina Greve, Rattelschneck, Hannes Richert und Miriam Wurster. Die Cartoon-Gala ebenso kenntnisreich wie unparteiisch moderieren wird der umstrittene nd-Kolumnist und ehemalige »Titanic«-Chefredakteur Leo Fischer. Es wird also sehr lustig, aber auch ein bisschen traurig werden. tbl

Cartoon-Lesung: »Deniz raus!«, 21. Oktober, 18 Uhr, Festsaal Kreuzberg, Am Flutgraben 2, Treptow

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