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Bei Bombardier Görlitz brodelt es

Die ostsächsischen Schienenfahrzeugbauer wollen Sicherheit über das Jahr 2020 hinaus

  • Miriam Schönbach, Görlitz
  • Lesedauer: 3 Min.

Ultimatum für Bombardier: Jan Otto, IG Metall-Chef in Ostsachsen, drängt auf den schnellen Verhandlungsbeginn zur Zukunft des Werks Görlitz nach 2020. »Der Termin für unserer erstes Gesprächsangebot an den Deutschland-Chef Fohrer ist verstrichen, obwohl wir im Juni eine klare Zusage für ein solches Treffen erhalten haben«, sagte der Gewerkschafter der dpa.

In dem Abkommen soll es um die Sicherung des Stammpersonals, die Rückkehr der produktbegleitenden Konstruktion sowie die Zusicherung weiterer Investitionen in den Standort an der Neiße gehen. »Wir müssen frühzeitig die Weichen stellen, damit das traditionsreiche Werk auch nach 2020 existiert«, sagte Otto. Beim Erhalt des Standorts am östlichen Rand Deutschlands sieht er den kanadischen Konzern in besonderer Verantwortung. »Wir haben in Görlitz schon jetzt mit zwölf Prozent eine vergleichsweise hohe Arbeitslosenquote. Was passiert mit dieser Region, wenn da noch mehr dazu kommen?« Die Wirtschaft dürfe sich nicht entziehen, vor allem nicht mit Blick auf das Bundeswahlergebnis. Im Wahlkreis Görlitz mit den bundesweit ältesten Wählern, dem niedrigsten verfügbaren Bruttoeinkommen und der höchsten Arbeitslosigkeit in ganz Deutschland holte die AfD in manchen Orten mehr als 40 Prozent der Wählerstimmen.

Redebedarf besteht auch zu den Details für die Ende September unterschriebene Gesamtbetriebsvereinbarung. Darin wurde festgeschrieben, zeitnah einen Sozialplan und ein Freiwilligenprogramm zu verabschieden. Innerhalb dieses Rahmens sollen ausgewählte Beschäftigte ihr Arbeitsverhältnis auf freiwilliger Basis und zu angemessenen Konditionen auflösen können. Geplant ist, dass das kanadische Unternehmen bundesweit in den nächsten drei Jahren bis zu 2200 seiner 8500 Arbeitsplätze ohne betriebsbedingte Kündigungen abbaut, um in Deutschland wieder profitabel zu werden.

Die Gesamtbetriebsvereinbarung ist bis Ende 2020 gültig. Bis 30. November nun sollen die ergänzenden Gespräche mit der Unternehmensleitung beendet sein. »Die Personalanpassungen können wir hoffentlich sozialverträglich gestalten«, sagte der Betriebsratsvorsitzende René Straube. Trotz der bevorstehenden Veränderungen sei die Stimmung im Werk unglaublich. »Wir machen unsere Arbeit gut.« Die derzeit 2300 Beschäftigten - darunter sind mehr als 1000 Leiharbeiter vor allem aus Osteuropa - arbeiten derzeit am Doppelstockwagen-Auftrag für die Deutsche Bahn sowie an Doppelstockwagen für Israel Railways.

Für den Standort Görlitz sieht die Neuausrichtung des Unternehmens eine Spezialisierung auf den Rohbau vor. Über die aktuellen Entwicklungen wollen IG Metall und Betriebsrat die Beschäftigten bei einer Betriebsversammlung Ende November informieren. Straube hofft, dass sich die Geschäftsleitung vorher rührt. »Man muss nämlich wenigstens mit den Leuten reden«, sagte er. Ansonsten könnte sich die Veranstaltung auch etwas länger hinziehen. Diese Warnung sollte auch Berlin verstehen.

Dort sieht die deutsche Konzern-Spitze keinen Grund, sich für ein erweitertes Abkommen mit Gewerkschaft und Betriebsrat an einen Tisch zu setzen. Ein Sprecher teilte mit: »Die Geschäftsführung hat im September mit der Arbeitnehmervertretung ein nachhaltiges Zukunftskonzept verabschiedet, das bis Ende 2020 umgesetzt wird. Da es sich dabei um eine standortübergreifende Vereinbarung für Bombardier in Deutschland handelt, sehen wir keine ergänzenden individuellen Standortsicherungsabkommen als notwendig an.« Stattdessen liege der Fokus klar auf der erfolgreichen Umsetzung der Standortspezialisierung in den nächsten zwei bis drei Jahren, das gelte für alle Standorte. IG-Metall-Chef Otto sagte dazu: »Das ist Wortbruch.« dpa/nd

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