Der Staat als Versicherer der Versicherer

Bundesländer und Assekuranz wollen eine flächendeckende Elementarschadenversicherung

Hochwasserfolgen in Klaffenbach in Baden-Württemberg 2024
Hochwasserfolgen in Klaffenbach in Baden-Württemberg 2024

Naturkatastrophen kosten Menschenleben und zerstören weltweit jährlich Werte in dreistelliger Milliardenhöhe. Nach wie vor ist nur ein kleinerer Teil der Schäden versichert. In ärmeren Ländern liegt dieser Anteil weit unter zehn Prozent. Im globalen Norden dagegen ist die Versicherungsdichte weit höher. Jedoch führte die im globalen Vergleich begrenzte Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 zu versicherten Schäden in Höhe von 10,9 Milliarden Euro – größtes Schadenereignis in Deutschland bisher.

Die Katastrophe führte zu einer teils hitzigen Diskussion über die sogenannte Elementarschadenversicherung. Aktuell sind lediglich 57 Prozent aller Hauseigentümer gegen Überschwemmungen, Erdrutsche und Schneedruck versichert.

Viele Hauseigentümer schrecken vor teilweise hohen Preisen zurück. Dabei hängen diese von der Gefährdungsklasse ab: je größer die potenzielle Naturgefahr, desto höher die Beiträge. Wenn Häuser direkt am Fluss stehen, weigern sich Versicherer oder fordern Mondpreise. Das betrifft allerdings nur etwa ein Prozent der Haushalte.

Sollen fortan also alle Hausbesitzer für solche Risikogruppen einstehen? Die Versicherungswirtschaft schlägt dies vor. Zugleich lehnt die Branche eine verpflichtende Versicherung gegen Elementarschäden ab, wie sie von einigen Bundesländern ins Gespräch gebracht wurde. Ein großer Teil der Schäden entstehe, weil die Anpassung an den Klimawandel immer noch nicht ernst genommen werde, beklagt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Auch unter den Versicherungskonzernen gibt es eine Unwucht. Die Durchschnittszahlen erzählen nur die halbe Geschichte – die andere Hälfte ist Geografie. Denn Versicherer, die in Unwetterregionen wie Bayern oder Hessen besonders aktiv sind, tragen in kritischen Jahren die größere Last.

Vor diesem Hintergrund sieht ein GDV-Konzept neben individuellem Versicherungsschutz auch Prävention und Klimafolgenanpassung vor. Hausbesitzer würden dadurch zu Vorbeugemaßnahmen bewegt. Zugleich würde die Assekuranz versicherte Schäden bis zu insgesamt 30 Milliarden Euro abdecken. Bund und Länder würden für darüber hinausgehende Schäden geradestehen. Nur so könnten die Prämien auf mittlere Sicht einigermaßen stabilisiert werden, sagt GDV-Geschäftsführer Jörg Asmussen.

Laut Koalitionsvertrag soll zukünftig die Wohngebäudeversicherung nur noch mit Elementarschadenabsicherung angeboten werden. Auch diese Versicherungsform ist freiwillig, aber weit verbreitet, auch weil Banken für ihre Immobilienkredite auf einen Versicherungsschutz drängen.

Bei dem Treffen am Donnerstag dürfte es vor allem um den politisch heikelsten Punkt gehen: eine staatliche Rückversicherung für Elementarschäden. In anderen Versicherungssparten übernehmen private Rückversicherer dieses Restrisiko. Hier gilt Frankreich als Vorbild, das seit 1982 einen niedrigen einheitlichen Prämiensatz mit der allgemeinen Gebäudeversicherung koppelt. Seitdem musste der Staat nur einmal mit knapp 300 Millionen Euro einspringen.

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