Eine Wahl ohne Wähler

Am Donnerstag soll Kenia einen neuen Präsidenten wählen, doch Herausforderer Odinga ruft zum Boykott auf

  • Anja Bengelstorff, Nairobi
  • Lesedauer: 3 Min.

Zum zweiten Mal in diesem Jahr sind die Wähler in Kenia aufgefordert, ihren Präsidenten für die nächsten fünf Jahre zu bestimmen. Das Oberste Gericht Kenias hatte in einer historischen Entscheidung im September das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen vom 8. August mit der Begründung annulliert, es seien »Unregelmäßigkeiten und Unrechtmäßigkeiten« bei der Wahlkommission aufgetreten. Damit folgte das Gericht einer Petition von Herausforderer und Oppositionsführer Raila Odinga, der der Wahlkommission Fälschung vorgeworfen hatte und vor Gericht gegangen war. Die Wahlkommission hatte Amtsinhaber Uhuru Kenyatta mit 54 Prozent der Stimmen zum Sieger erklärt, während Raila Odinga 44 Prozent erhielt. Die Wiederholung der Wahl ist nun für Donnerstag, 26. Oktober angesetzt.

Odinga, der sich im August zum vierten Mal um das Amt des Präsidenten beworben hatte, ist von der Wahl zurückgetreten: Es hätte keine Reform der Wahlkommission gegeben, damit stünde das neue Ergebnis schon fest. Er und seine Koalitionspartner hatten »Mindestanforderungen« gestellt, die nicht erfüllt wurden, darunter die Entlassung etlicher Kommissionsmitglieder. Odinga machte deutlich, dass er das Wahlergebnis nicht anerkennen würde.

In der vergangenen Woche räumte sogar der Vorsitzende der Wahlkommission, Wafula Chebukati, ein, dass er eine glaubwürdige Wahl gegenwärtig nicht garantieren könne. Kurz zuvor war Kommissionsmitglied Roselyn Akombe aus dem Land geflohen. Die Wahlkommission werde von Parteiinteressen beherrscht und sei Teil des Problems geworden, schrieb sie in einer Presseerklärung.

Odinga hat seine Anhänger aufgefordert, die Wahl zu boykottieren, da sie weder frei noch fair sein würde. Er selbst will sich am Tag vor der Wahl zu »den nächsten Schritten« äußern. Zudem hat die Opposition tägliche friedliche Demonstrationen für eine Reform der Wahlkommission angekündigt, »bis die nötigen Reformen umgesetzt und freie und faire Wahlen möglich werden.« Bei Demonstrationen in größeren Städten Kenias während der vergangenen Wochen waren Menschenrechtsorganisationen zufolge bis zu 67 Menschen ums Leben gekommen, viele durch exzessiven Einsatz der Polizei. Weitere Opfer werden am Wahltag und danach befürchtet, sollten rivalisierende Anhänger oder die Polizei mit Demonstranten zusammentreffen, die die Wahl zu blockieren versuchen.

Eine Wahl in dem gegenwärtig angespannten politischen Klima zu forcieren, mit einer unzureichend vorbereiteten und unglaubwürdigen Wahlkommission, könnten die politischen Spannungen vertiefen und sich verheerend für Ostafrikas stärkste Wirtschaftsmacht auswirken, nicht nur wirtschaftlich: Der Graben, der sich nach der Gewalt nach den Wahlen 2007 in Kenia entlang ethnischer Linien aufgetan hat, ist breiter geworden und wird in der Öffentlichkeit so offen geäußert wie nie zuvor. Zudem ziehen nach Gesprächen mit Wählern viele in Betracht, am Donnerstag ihre Stimme nicht abzugeben.

Ein siegesgewisser Präsident Kenyatta wiederholte am Montag, er sei bereit zur Wahl und sehe keinen Anlass für ein Treffen mit Odinga. Ein Dialog scheint zur Zeit unmöglich . Auch die Gewerkschaften und Organisationen der Zivilgesellschaft haben die Wahlkommission in einer gemeinsamen Erklärung aufgefordert, eine Verschiebung der Wahl beim Obersten Gericht zu erwirken. Das könnte ein besonnener Ausweg aus einer überhitzten Situation sein, der dem Land Zeit gibt, eine für alle Kenianer akzeptable Wahl zu organisieren.

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