Einspruch gegen Steuerbescheid bringt nicht selten bares Geld

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Das Bundesverfassungsgericht hat die Klage zur Erhöhung der Behindertenpauschbeträge abgelehnt (Az.: 2 BvR 1059/03). Darauf weist der Neue Verband der Lohnsteuerhilfevereine e.V. hin. Zum Hintergrund: Behinderte können ihre Aufwendungen mit einem Pauschbetrag in der Steuererklärung geltend machen. Die Pauschalen wurden trotz steigender Lebenshaltungskosten seit Jahren nicht angehoben. Dagegen richtete sich die Klage. Der Verband rät nun Behinderten zu prüfen, ob statt der Pauschale die tatsächlichen Kosten beantragt werden sollten. 

Grad der Behinderung ist entscheidend
Die Höhe des Pauschbetrages richtet sich nach dem Grad der Behinderung und beträgt zwischen 310 Euro und 3700 Euro. Damit sind außer bestimmten zusätzlich absetzbaren außergewöhnlichen Belastungen (z.B. für Krankenhaus, Kur, Fahrten) alle Kosten abgegolten. Das erspart zwar den oft mühseligen Nachweis der Aufwendungen, deckt jedoch meist nicht die erheblich höheren Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Behinderung entstehen. Mit der jetzt abgewiesenen Klage sollte eine Erhöhung der Pauschbeträge erstritten werden. Diese waren seit vielen Jahren nicht angehoben worden.
Damit Behinderte nicht auf ihren Kosten sitzen bleiben, rät der Verband bei höheren Belastungen die Belege zu sammeln und die tatsächlichen Aufwendungen zu beantragen. Dies war zwar bisher auch schon möglich, doch hatten viele den Aufwand gescheut und nur den Pauschbetrag angesetzt. Zu beachten ist jedoch bei Ansatz der tatsächlichen Kosten, dass der Fiskus diesen Betrag um eine zumutbare Eigenbelastung kürzt. Diese beträgt in Abhängigkeit vom Familienstand, Anzahl der Kinder und Höhe des Einkommens 1 bis 7 Prozent der Einkünfte.
Ob der Ansatz des Behindertenpauschbetrages zuzüglich anderer außergewöhnlicher Belastungen oder die Beantragung der tatsächlichen Aufwendungen günstiger ist, muss notfalls vom Fachmann geprüft werden.
Mit der Kompliziertheit des Steuerrechts steigt auch das Angebot an Steuersoftware zur Bewältigung der Steuererklärung. Nach einer aktuellen Studie von PC-Welt schnitten zwei Programme von insgesamt acht getesteten am besten ab. Testsieger ist das Programm »Steuer-Spar-Erklärung 2007 Plus« von der Akademischen Arbeitsgemeinschaft gefolgt vom »Wiso Sparbuch 2007« von Buhl. Beide Programme kosten jeweils 40 Euro.
Diese Programme können durchaus hilfreich sein, sofern steuerliche Grundkenntnisse vorhanden sind. Wer jedoch gar nicht weiß, welche Kosten wo abgesetzt werden können, wird stundenlang am PC verbringen und nach einem verpatzten Wochenende genervt aufgeben. Gute Programme geben hilfreiche Tipps und verweisen auf aktuelle Entscheidungen. Individuelle Fragen beantworten die Programme jedoch nicht. Steuerprogramme können daher nur ein begrenztes Hilfsmittel sein. Fazit: Steuersoftware ersetzt keine steuerliche Beratung. 

Software nur etwas für Experten
Auch der vermeintlich günstige Preis für gute Steuersoftware kann nicht überzeugen. Lohnsteuerhilfevereine bieten ihre Hilfe für einen relativ geringen Mitgliedsbeitrag an. Die Beiträge sind oft sozial gestaffelt. Der Mindestbeitrag beträgt bei vielen Vereinen weit weniger als 50 Euro im Jahr. Dafür wird eine ganzjährige steuerliche Betreuung und Hilfe in allen Arbeitnehmerfragen geboten. In den zahlreichen örtlichen Beratungsstellen der Vereine werden die Einkommensteuererklärungen nicht nur erstellt und beim Finanzamt eingereicht, sondern der Bescheid auch auf Richtigkeit geprüft und bei fehlerhaften Bescheiden Einspruch eingelegt. Die Vereine helfen auch bei der Beantragung und Sicherung von Kindergeld, der Arbeitnehmersparzulage oder der Wohnungsbauprämie. 

Zwei Drittel der Einsprüche sind erfolgreich
Übrigens: Ein Einspruch gegen den Steuerbescheid lohnt oft. Pro Jahr legen die Bundesbürger rund 4,5 Millionen Einsprüche ein. Hiervon gehen rund zwei Drittel zu Gunsten der Steuerzahler aus und nur 13,5 Prozent werden komplett abgelehnt. Und bei den restlichen Einsprüchen bekommen Bürger oft zumindest teilweise Recht. Wenden sie sich in letzter Instanz an den Bundesfinanzhof, gibt es hier auch noch mal in 44 Prozent der Fälle eine positive Entscheidung. Daher verschenkt bares Geld, wer den erhaltenen Steuerbescheid ungeprüft zu den Akten legt. Darauf weist die Kanzlei Ebner, Dr. Stolz & Partner hin. Denn es zahlt sich aus, gegen den Bescheid vorzugehen. Zahlendreher, selbst vergessene oder vom Finanzamt gestrichene Abzugsposten und vor allem unberücksichtigte Urteile sowie Erlasse sollten stets Anlass für ein Vorgehen gegen die Bescheidinhalte sein. Zumal der Einspruch unabhängig vom Ausgang kostenlos ist. Bekommen Steuerzahler erst nach langem Hin und Her Recht, wird die Erstattung sogar noch verzinst. Ist im eigenen Rechtsstreit bereits ein ähnliches Verfahren anhängig, können Bürger problemlos darauf verweisen und brauchen keine eigene Begründung einzureichen. Geht das fremde Verfahren positiv aus, profitieren sie automatisch. Darüber hinaus können Steuerzahler ihre eigenen fehlerhaften Angaben oder vergessene Belege per Einspruch problemlos korrigieren. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass sich der Rechtsbehelf zum Nachteil auswirkt, kann er wieder zurückgenommen werden. Auf diese Möglichkeit muss das Finanzamt sogar hinweisen, so dass nicht einfach ein neuer Bescheid mit höheren Steuerbeträgen kommt.
»Allerdings müssen im Gegensatz zu früheren Jahren neue Regeln beachtet werden«, erläutert Steuerberater Christian Fröhlich. Denn das Finanzamt darf jetzt Einsprüche schneller und effektiver bearbeiten. Die Behörde kann vorab nur über Teile des Einspruchs entscheiden, früher blieb der gesamte Steuerbescheid grundsätzlich in vollem Umfang offen. Zudem darf das Finanzamt jetzt anhängige Einsprüche durch öffentliche Bekanntgabe zurückweisen, wenn Gerichte im Sinne des Fiskus entscheiden. Diese neue Regelung gilt auch für bereits längst eingelegte Einsprüche, die schon Jahre in den Amtsstuben schlummern. 

Fristen sind unbedingt zu beachten
Unverändert muss ein erfolgreicher Einspruch zulässig sein, was Finanzbeamte zuerst prüfen, so der Experte. Das entscheidende Kriterium ist hierbei die einmonatige Einspruchsfrist. Sie beginnt am dritten Tag nach der Aufgabe des Bescheides zur Post. Fällt dieser Termin auf Sonn-, Feiertag oder einen Sonnabend, gilt der Bescheid erst am nächsten Werktag als zugestellt. Um die Frist einzuhalten, muss der Einspruch zumindest am letzten Tag beim zuständigen Finanzamt eingehen. Es reicht nicht aus, das Schriftstück erst an diesem Tag zur Post zu geben. Zur Fristwahrung reicht auch zunächst ein vorsorglicher Einspruch ohne Begründung. Das schafft Zeit, um Belege oder Argumente zu besorgen. Hierzu räumt das Finanzamt eine Nachfrist ein, die nicht unter vier Wochen liegt. Ist die Einspruchsfrist versäumt, besteht als letzte Möglichkeit noch der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand. Der hat Erfolg, wenn die Monatsfrist unverschuldet überschritten wurde. Das ist beispielsweise bei plötzlicher Krankheit der Fall, nicht aber bei Urlaub. 

Nur der Inhalt entscheidet, nicht die Form
Um die Form eines Einspruchs müssen sich Steuerzahler kaum Gedanken machen: Er muss lediglich schriftlich erfolgen, per Brief, Fax oder E-Mail. Dennoch sollte das Schreiben so korrekt und umfangreich wie möglich sein, um schneller Recht zu bekommen und lästige Rückfragen zu vermeiden. Liegt der Einspruch dem Finanzamt termingerecht vor, prüfen die Beamten nicht nur die vorgebrachten Argumente, sondern theoretisch noch einmal sämtliche Angaben der Steuererklärung. Das kann dazu führen, dass die Behörde dem Einspruch zwar Recht gibt, aber zusätzliche steuererhöhende Sachverhalte finden. Dann kann der Einspruch zurückgenommen werden, denn das Finanzamt muss vorab auf diese so genannte Verböserung hinweisen.

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