Ungesund geht immer

Schulspeisung in Thüringen: Zu viel Fleisch und zu lange warm gehalten

  • Michel Winde, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Ernährung im Kindesalter stellt Weichen fürs Leben - deshalb erhebt die Vernetzungsstelle Schulverpflegung an der Verbraucherzentrale Thüringen alle vier Jahre Daten zum Mittagessen an den Schulen im Freistaat. Die neuen Daten zeigen: Einiges ist in den vergangenen Jahren besser geworden - aber es gibt noch viel zu tun.

»Die Kinder sind sechs bis acht Zeitstunden in der Schule. Da braucht es schon eine gescheite Ernährung«, sagt Alexandra Liening von der Vernetzungsstelle, die die Daten seit 2009 erhebt. In diesem Jahr wurden mehr als 700 Schulen und 35 Schulträger befragt - mit einer Rücklaufquote von 40 beziehungsweise 63 Prozent. Kinder sollten - neben dem Elternhaus - schon in Kita und Schule für eine gesundheitsfördernde Ernährung sensibilisiert werden, sagt Liening.

Laut Daten des Thüringer Landesverwaltungsamts hatten im vergangenen Jahr 12,1 Prozent - also mehr als 2200 - der Erstklässler zu viel auf den Rippen. 5,3 Prozent davon waren fettleibig. »Der Anteil stagniert auf einem relativ hohen Niveau«, so Liening. Mögliche Folgen: Diabetes, Gelenkschmerzen oder Bluthochdruck - und mitunter psychisches Leid.

Es gibt zu viel minderwertiges Fleisch - das ist nach Ansicht von Liening das größte Problem. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt höchstens acht Fleischgerichte pro Monat, mindestens vier von ihnen sollten mageres Muskelfleisch enthalten. An Thüringer Schulen landet vier Mal wöchentlich Fleisch auf dem Teller, zur Hälfte sogenanntes hochverarbeitetes Fleisch - also Hackfleisch oder Wurstwaren mit hohem Salz- und Fettanteil. In Sachen Salat und Gemüse sieht die Lage deutlich besser aus. Gemüse gibt es an vier von fünf empfohlenen Wochentagen. Salat empfiehlt die DGE zwei Mal wöchentlich, diese Maßgabe wird zu 80 Prozent erfüllt. Liening sieht eine positive Entwicklung. Das Problem sei jedoch, dass die Schüler an 70 Prozent der Schulen aus verschiedenen Gerichten wählen könnten. »Da kann der Schüler also immer unausgewogen essen.«

Liening kritisiert auch die Warmhaltezeiten vieler Gerichte. Laut Befragung gibt es in fast neun von zehn Schulen Warmverpflegung (88 Prozent). Die Gerichte werden zentral zubereitet und dann ausgeliefert. Mitunter würden die Mahlzeiten drei Stunden und mehr auf Temperatur gehalten. »Dem Gulasch tut das nicht weh, aber dem Gemüse.« Die DGE schreibt: »Mit zunehmender Warmhaltezeit gehen Vitamine (...) verloren, außerdem kommt es zu sensorischen Einbußen. Daher ist die Warmhaltezeit so kurz wie möglich zu halten.« Immerhin: Vor vier Jahren gab es noch an 92 Prozent der Thüringer Schulen Warmverpflegung. Auch die Quote der Schulen, die vorgegarte Gerichte vor Ort im Dämpfer zubereiten, ist gestiegen - mit 6,3 Prozent aber immer noch niedrig. Frisch gekocht wird an den wenigsten Schulen (3,8 Prozent).

43 Prozent der Schüler essen mittags in der Schule. Zu wenig, findet Liening. In Grundschulen liege die Quote mit 70 bis 80 Prozent deutlich höher, nach der 6. Klasse erfolge der Einbruch. Deshalb müssten Speisesäle so gestaltet werden, dass sie auch Jugendlichen gefallen. Zudem sollten mehr Snacks wie Reis- und Nudelgerichte oder Sandwiches im Angebot sein. So könnten sich die Teenager während des Essens mit ihren Freunden zurückziehen, quatschen und abgrenzen. Darunter leide zwar die Esskultur - aber immerhin griffen die Schüler dann nicht zur Chipstüte. Eine Mahlzeit kostet nach Angaben der Träger durchschnittlich 2,68 Euro. Vor vier Jahren waren es 2,18 Euro. Liening erklärt den Anstieg mit der Einführung des Mindestlohns und gestiegenen Lebensmittelpreisen. Sie sagt auch: »Ein vernünftiges Essen muss über drei Euro kosten.« Unter den niedrigen Preisen litten Personal, Qualität und möglicherweise auch Investitionen in die Küchentechnik. dpa/nd

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