Vertrauenstest für die Industrieländer

Beim Klimagipfel in Bonn geht es auch um das Verhältnis zwischen armen und reichen Staaten

  • Benjamin von Brackel und Christian Mihatsch
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Morgen des Auftakttages der Weltklimakonferenz in Bonn war Barbara Hendricks (SPD) noch bester Laune gewesen. Schließlich stand ihr der Höhepunkt ihrer Amtszeit als Umweltministerin bevor: Als Gastgeberin würde sie nicht nur die bislang größte internationale Konferenz in Deutschland eröffnen, sondern auch noch viel Applaus bekommen für ihre Ankündigung von weiteren 50 Millionen Euro für einen Fonds, der Entwicklungsländern helfen soll, sich an den Klimawandel anzupassen. Schöne Bilder wären sicher - von ihr und dem Premier der Fidschi-Inseln, Frank Bainimarama, beim gemeinsamen Kava-Trunk, dem Nationalgetränk des Inselstaats.

Doch schon bei der Auftaktpressekonferenz holte sie die Alltagspolitik ein: In Deutschland würden seit Jahren die CO2-Emissionen kaum mehr fallen und das Klimaziel 2020 werde wohl deutlich verfehlt, schade das nicht der Position Deutschlands auf der Konferenz?, fragte eine Journalistin. Hendricks behielt Fassung und widersprach: »Das Ansehen Deutschlands ist nach wie vor sehr sehr hoch«. Sie erinnerte an Erfolge der Vergangenheit, etwa Finanzhilfen zur Bekämpfung des Klimawandels.

Aber so leicht lassen sich die Zweifel nicht abtun. Der Erfolg des Pariser Klimaabkommens hängt entscheidend davon ab, ob die Entwicklungsländer Vertrauen haben, dass es die Industrieländer ernst meinen mit ihren Ankündigungen. Da schadet es, wenn Unions- und FDP-Politiker das deutsche Klimaziel bis 2020 plötzlich nicht mehr so ernst nehmen wollen.

Ein Vertrauensverlust in die Industrieländer könnte indes die ganze Klimakonferenz von Bonn in Gefahr bringen. Eigentlich hatten Länder wie Deutschland versprochen, beim Klimaschutz voranzugehen, noch bevor das Paris-Abkommen in Kraft tritt. Es geht um verbindliche Klimaziele für 2020. Die Diskussion in Deutschland zeigt, welch Unterschied so eine Verbindlichkeit machen würde. Nun haben allerdings die Industriestaaten ihre Verpflichtung vom Klimagipfel in Doha 2012 seit fünf Jahren nicht in die Tat umgesetzt.

In Bonn hatte Bainimarama deshalb vorgeschlagen, den Punkt gar nicht mehr zu behandeln, um mehr Zeit für anderes zu haben. Das allerdings löste Protest von Ländern wie Indien, Iran und China aus. »Wenn wir nicht den Regeln früherer Klimagipfel folgen, warum sollen wir dann dem jetzigen Prozess trauen?«, fragte etwa der indische Verhandlungsführer.

Hinter dem Ärger steckt die Festlegung auf einen Prozess, der jetzt in Bonn auf den Weg gebracht werden soll. Es geht um die Bestandsaufnahme im nächsten Jahr, die die Frage beantworten soll: Reichen die Anstrengungen der Länder aus, um die Klimaerwärmung auf »deutlich unter zwei Grad« zu begrenzen? Fidschi hat einen Vorschlag gemacht, wie diese Bestandsaufnahme ablaufen soll. Doch schon am Wochenende kam Kritik: »Der Vorschlag ist unakzeptabel«, sagte ein indischer Diplomat. Grund dafür ist die Befürchtung, dass die Bestandsaufnahme zum Ergebnis kommen wird, dass die Klimapläne der Länder deutlich ehrgeiziger sein müssten. Doch viele Entwicklungsländer wollen vor 2020 ihre Klimaziele nicht anheben, denn bis dann gilt ja das Kyoto-Protokoll noch, das nur die Industriestaaten zum Klimaschutz verpflichtet. »Der Vorschlag von Fidschi wischt die Unterscheidung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern weg«, sagt Dipti Bhatnagar von der Umweltorganisation Friends of the Earth. Nun wird ein möglicher Tauschhandel vorbereitet: Eine aussagekräftige Bestandsaufnahme gibt es nur, wenn die Industriestaaten schon vor 2020 mehr machen.

Auch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) äußerte sich zur Frage: Sein Ministerium wolle vorangehen und klimaneutral bis 2020 werden, sagte er. »Klimaschutz ist eine Überlebensfrage der Menschheit. Und wir, die Industrieländer sind die Hauptverantwortlichen und müssen die Hauptverantwortung übernehmen.« Auf den Kohleausstieg angesprochen wiegelte er allerdings ab: Man solle sich doch nicht nur auf diesen einen Punkt fokussieren.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal