Der Zweck heiligt das Bier

Pfarrer in der belgischen Hauptstadt Brüssel lässt für Kirche brauen

  • Oliver Beckhoff, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.

Adam Nowek versteht etwas von Bier. Der Blogger will rund um die Erde schon fast 3200 Sorten aus 96 Ländern getestet haben - darunter sind Produkte aus Malawi, Uganda oder der Mongolei. Doch was Nowek nun vor einer Kirche im belgischen Brüssel erlebt hat, war selbst für ihn Neuland: »Ich habe das umzingelt von Priestern probiert, während im Hintergrund Achtziger-Sounds liefen«, schreibt er über das Kirchen-Bier, das Pfarrer Jérémie Schaub nun vorstellte.

50 000 Flaschen Bier hat Pater Jérémie (34) produzieren lassen. Mit dem Inhalt ließe sich ein kleiner Swimmingpool füllen. Doch der Pfarrer der Gemeinde Sankt Katharinen im Zentrum von Belgiens Hauptstadt hat natürlich ganz andere Pläne: Vom Erlös aus dem Verkauf soll die Kirche renoviert werden. Von deren Wänden bröckelt stellenweise der Putz.

Doch das Renovieren ist nicht alles. »Ich will etwas für unser Viertel machen. Ich will mehr Dynamik in der Kirche und eine Beziehung zu den Menschen hier«, sagt der Geistliche, der mit Hilfe des Bieres auch die Menschen erreichen will, die nicht in seinen Gottesdienst kommen.

Denn auf weniges können sich Wallonen, Flamen und die deutschsprachige Minderheit so gut einigen wie auf das Nationalgetränk. In dem Land mit drei Amtssprachen, das einmal 541 Tage ohne Regierung war, weil die Koalitionsbildung scheiterte, ist der Gegensatz sonst sprichwörtlich: ein »belgischer Kompromiss« meint eine Einigung, mit der niemand glücklich ist. Bier hilft. Die UNESCO - die UNO-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur, hat die belgische Biertradition im vergangenen Jahr sogar als immaterielles Kulturerbe anerkannt. Rund 1500 verschiedene Sorten soll es im Königreich geben.

»Ste Kat«, so der Name des Bieres in Anlehnung an den abgekürzten Gemeindenamen, soll an alte Trappisten- und Klosterbiere erinnern und trotzdem modern schmecken, sagt Schaub. Der Pfarrer wird auf dem Kirchvorplatz per Handschlag von Männern begrüßt, die auf den derzeit sehr angesagten Fixie-Bikes radeln und modische Vollbärte tragen.

Entwickelt hat der Pfarrer von Sankt Katharinen das Bier mit Hilfe eines Brüsseler Brauerei-Start-ups, das sich auf sogenannte Craft Beers spezialisiert hat. Gemeint sind handwerklich und in kleiner Auflage gebraute Biere. Am Ende stand ein helles Bier mit fruchtiger Note.

»Es ist ein bisschen trockener als ein klassisches Klosterbier«, sagt Dimitri Van Roy vom »Brussels Beer Project«. Seit Anfang Oktober wird »Ste Kat« im Kirchenshop verkauft. Zu haben ist es im Geschäft des Start-ups sowie in Cafés und Bars im Umfeld der neu-gotischen Kirche.

Doch wieviel Bier braucht es, damit die Kirche auf dem Flaschenetikett wieder zum Stadtgespräch wird, damit die Brüsseler sie wieder stärker als Wahrzeichen wahrnehmen und die Fassaden ausgebessert werden können? »Es gibt kein Limit«, sagt Schaub und lacht. »Um die Kirche zu renovieren, bräuchten wir Millionen.« dpa/nd

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