Schweigen in Pjöngjang

Peter Kirschey über die trügerische Stille Nordkoreas während Donald Trumps Asien-Reise

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist schon merkwürdig. Oder auch nicht. Während Nordkorea in den vergangenen Wochen und Monaten verbal aus aller Rohren schoss, Komitees und diverse Sprecher fast täglich die USA verdammten und jede Unflätigkeit des US-Präsidenten mit einer Flut von Gegendrohungen beantwortete, der Führer Kim Jong Un selbst in die Schlacht eingriff, so ist es jetzt still in Pjöngjang.

Keine Drohung, die USA mit einem nuklearen Schlag zu zermalmen, keine Attacke, dass man sich quasi schon im Krieg befindet. Und das, obwohl sich Donald Trump so nahe wie nie am Rande der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK), bewegt und er sowohl in Japan als auch in Südkorea und jetzt in China mit starken Worten gegen Nordkorea zu Felde zog.

Die nordkoreanische Propagandamaschine ist zurzeit abgeschaltet. Nordkorea sei eine Hölle, die kein Mensch verdiene, hatte Trump bei seinem Besuch in Südkorea gesagt. Und: »Die Welt kann ein Schurkenregime nicht tolerieren, das mit nuklearer Vernichtung droht.« Grund genug für eine herzhafte nordkoreanische Gegenrede. Doch sie findet nicht statt. Zumindest nicht bis Donnerstag. Nur ein nordkoreanischer Bericht, wonach sich ganz Südkorea im scharfen Widerstand gegen den Trump-Besuch befindet.

Die Gründe für die scheinbare Gelassenheit gegenüber der nordkoreanischen Umkreisung durch Trump sind vielfältig. Natürlich will es sich die nordkoreanische Führung mit ihrem engsten Verbündeten und Beschützer China nicht völlig verderben. Noch hält Peking mit Groll und einigem Widerwillen die schützende Hand über den kleinen Nachbarn. Pjöngjang weiß genau, dass ohne die wirtschaftliche Stütze des großen Nachbarn eine derart enorme Aufrüstung in Atom- und Raketentechnik nicht möglich wäre. Man wird sich hüten, den Bogen zu überspannen. Auch wenn Kim Jong Un nicht müde wird zu behaupten, alles aus eigener Kraft erreicht zu haben, Nordkorea hängt am Tropf Chinas. Es bleibt abzuwarten, wie China die vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionen gegen die DVRK tatsächlich umsetzt.

Ein zweiter Grund für das Schweigen Pjöngjangs dürfte sein, dass die Monate andauernde Kriegspsychose die Nordkoreaner ermüden lässt. Man kann nicht monatelang in der Euphorie leben, den amerikanischen Imperialismus nun den entscheidenden Schlag zu versetzen, wenn der große Waffengang dann doch nicht stattfindet. Die nordkoreanischen Medien leben in Wellen schärfster Konfrontation gegen die USA, Südkorea und Japan sowie braver Erfolgsberichterstattung. Zurzeit sind es die Besuche Kim Jong Uns in zivilen Betrieben und die Würdigung der eigenen Leistungen, die die nordkoreanische Propaganda ihrem Volk zu bieten hat. Beim Besuch einer Kosmetikfabrik wird auch mal wieder Kims Ehefrau zur Schau gestellt.

Schließlich könnten auch im Hintergrund zaghafte Kontakte für eine Friedenslösung auf der koreanischen Halbinsel eine Rolle spielen. Da vermeldet das nordkoreanische Internetportal Naenara mit einem Satz, dass ein einstiger SPD-Politiker aus der dritten Reihe in Pjöngjang eingetroffen ist. Mehr erfährt die Öffentlichkeit nicht. Sicher ist jedoch: Die nächste Wutwelle kommt bestimmt. Spätestens dann, wenn wieder einmal Sanktionen gegen Nordkorea im Gespräch sind, irgendjemand sich zu Menschenrechten in der DVRK äußert oder ein Militärmanöver der USA in unmittelbarer Nähe das Klima vergiftet.

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