Tatsachen, die nicht zu vertuschen sind

Der Fall Oury Jalloh wurde im Oktober abgeschlossen, neue Erkenntnisse könnten zur Wiederaufnahme führen

  • Florian Brand und Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 3 Min.

Der 2005 in seiner Zelle verbrannte Oury Jalloh kann nur durch Fremdeinwirkung gestorben sein. Zu diesem Schluss kommen mehrere Sachverständige aus den Bereichen Brandschutz, Medizin und Chemie, die sich detailliert mit der Frage nach dem Ausbruch des Feuers in der Arrestzelle im sachsen-anhaltischen Dessau beschäftigen. Damit widerlegten die WissenschaftlerInnen die bislang hartnäckig von den Ermittlungsbehörden verfolgte These der Selbstanzündung des aus Sierra Leone stammenden Mannes. Wie das ARD-Magazin »Monitor« (WDR) berichtet, dem die Gutachten vorliegen, deutet vieles darauf hin, dass Jalloh ermordet wurde.

Der Zustand der Zelle und des Leichnams Jallohs sei nur durch den Einsatz geringer Mengen von Brandbeschleuniger wie etwa Leichtbenzin zu erklären, schreiben die ExpertInnen in ihrer Stellungnahme. Auch sonst deute vieles darauf hin, dass der Brand von dritter Hand gelegt worden sei. Die Theorie der Selbstanzündung sei so gut wie auszuschließen: Jalloh sei vermutlich bei Brandbeginn komplett handlungsunfähig oder sogar bereits tot gewesen, so dass die Annahme, er habe das Feuer selbst gelegt, nicht stichhaltig sei.

Zu diesem Schluss kommt mittlerweile auch der langjährige leitende Oberstaatsanwalt Folker Bittmann, der bislang selbst an die Selbstanzündungs-Theorie glaubte. Er hält es demnach für wahrscheinlich, dass Jalloh bereits vor Ausbruch des Feuers von Dritten mit Brandbeschleuniger besprüht und angezündet wurde. Bittmann benennt in einem Brief vom April diesen Jahres sogar konkrete Verdächtige aus den Reihen der Dessauer Polizeibeamten. Trotz dieser eindeutigen Erkenntnisse wurde der Fall eingestellt, wie die Staatsanwaltschaft Halle in einem Schreiben vom 12. Oktober 2017 mitteilte. Darin heißt es, dass sich »keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Beteiligung Dritter an der Brandlegung« ergeben hätten. Eine weitere Aufklärung sei nicht zu erwarten.

Für den Aktivisten und Freund Jallohs, Mouctar Bah, ist diese Entwicklung keine Überraschung. »Es fängt schon mit seinem Nasenbeinbruch an, der bei der ersten Obduktion nicht festgestellt werden wollte. Wir Flüchtlinge haben Geld gesammelt und eine weitere Obduktion finanziert, wo das dann festgestellt wurde«, sagte er gegenüber dem »nd«. »Das Gericht in Halle möchte den Fall mit Absicht schließen, obwohl es Fakten gibt, die zeigen, dass Oury ermordet wurde. Beispielsweise war das Feuerzeug nicht in seiner Zelle«, so der Vertreter der Familie weiter. Gemeint ist damit ein nachträglich aufgetauchtes Feuerzeug, das laut »Monitor« erst mehrere Tage nach dem Mord in der Asservatenkammer der Polizei eingetragen wurde. Eine nachträgliche Untersuchung ergab, dass sich das Feuerzeug zum Zeitpunkt der Entzündung nicht in der Zelle Jallohs befunden haben kann.

Die Anwältin der Familie Jalloh, Gabriele Heinecke, bezeichnete die Einstellung des Verfahrens angesichts der neuen Erkenntnisse gegenüber »Monitor« als »einen Skandal«. Sie hat dagegen Beschwerde eingelegt und wird angesichts der neuen Erkenntnisse Strafanzeige erstatten.

Schon früh hatte es Zweifel an der ursprünglich von der Polizei verbreiteten Stellungnahme zum Todesfall Jalloh gegeben. In einem Video, das unmittelbar nach dem Vorfall von der sachsen-anhaltischen Polizei angefertigt und von »Monitor« veröffentlicht wurde, dokumentierte ein Polizeibeamter die Begehung der ausgebrannten Zelle, in der Jalloh am 7. Januar 2005 an Händen und Füßen gefesselt auf einer Pritsche lag.

In dem Video sprach der Polizist bereits davon, dass sich der Asylbewerber selbst angezündet habe, obwohl das zu diesem Zeitpunkt als noch nicht erwiesen galt. Die Staatsanwaltschaft in Dessau übernahm damals die von der Polizei verbreitete Version von Beginn der Verhandlungen an. Der einzige Vorwurf, der gegenüber der Polizei damals gemacht wurde, war, dass sie Jalloh nicht rechtzeitig gerettet habe. Der Vorsitzende Richter Manfred Steinhoff beklagte bereits nach dem ersten Verhandlungstag den Kooperationsunwillen der Polizei. Zeugen hätten systematisch gelogen. Das Ganze habe »mit Rechtsstaat nichts mehr zu tun«, so Steinhoff damals gegenüber »Monitor«.

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