Drohbrief aus Juba

Humanitäre Helfer in Südsudan müssen mit Einschüchterung und Ausweisung rechnen

  • Marc Engelhardt
  • Lesedauer: 3 Min.

Bürgerkrieg, Hyperinflation und eine schwere Dürre: In Südsudan hungern nach UN-Angaben 4,8 Millionen Menschen. Nur die großflächige Verteilung von Nahrungsmitteln habe bisher eine Hungersnot verhindert, sagt Adnan Khan vom Welternährungsprogramm. Doch anstatt die Helfer bei der Rettung von Menschenleben zu unterstützen, errichtet Südsudans Regierung immer neue Hürden. Dem Evangelischen Pressedienst (epd) liegt ein Schreiben vor, in dem 674 namentlich aufgeführten Mitarbeitern von Hilfsorganisationen mit der Ausweisung gedroht wird - wenn sie nicht überhöhte Gebühren zahlen.

Das Schreiben stammt von der südsudanesischen Regierungskommission für Hilfen und Wiederaufbau und wurde am 2. November an die Nothilfekoordination der UN (OCHA) in der Hauptstadt Juba geschickt. Darin heißt es, die in einer angehängten Liste mit Namen aufgeführten Ausländer besäßen keine gültige Arbeitsgenehmigung und müssten diese binnen eines Monats erstehen. Andernfalls würden ihre Arbeitsverträge annulliert. In der Praxis bedeutet das die Ausweisung, denn ohne Vertrag dürfen sie nicht im Land bleiben.

Bei der UNO, die die Arbeit der meisten Hilfsorganisationen im Südsudan koordiniert, löst die Drohung Sorge aus. »Informationen darüber, wer für Nichtregierungsorganisationen arbeitet, sind vertraulich und dürfen ohne Zustimmung der Betroffenen nicht publik gemacht werden«, sagte der Chef der UN-Nothilfekoordination in Juba, Ian Ridley. Selbstverständlich müssten sich die Helfer an Recht und Gesetz halten. »Die unklare und oft unvorhersehbare Umsetzung von Gesetzen stellt aber eine große Herausforderung dar.«

Das ist noch diplomatisch ausgedrückt. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen berichteten dem epd, dass die Zahl von Abgaben und Auflagen im vergangenen Jahr geradezu explodiert ist. Für jede Arbeitsgenehmigung sind jetzt statt 100 satte 4000 US-Dollar fällig. Eigentlich wollte Südsudans Regierung 10 000 Dollar pro Person kassieren. Dazu kommen neue Zölle und Einfuhrgebühren für Hilfsgüter und umständliche Reisegenehmigungen innerhalb des Landes, die Zeit und Geld kosten. Die Devisen braucht die Regierung von Präsident Salva Kiir dringend, denn sowohl die EU als auch die USA haben ihre Hilfen an sie eingefroren - wegen des seit 2013 dauernden Bürgerkriegs mit Rebellen unter dem Ex-Vizepräsidenten Riek Machar.

Auf der Liste sind fast alle großen Hilfsorganisationen aufgeführt, darunter allein 119 Ärzte, Pfleger, Hebammen und andere Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen aus Belgien, Frankreich und den Niederlanden. Mitarbeitern von Oxfam und Save the Children droht die Regierung ebenso wie der katholischen Bischofskonferenz im Südsudan, die wie andere kirchliche Organisationen bisher von den Gebühren befreit war. 240 000 Dollar soll die Bischofskonferenz für ihre Mitarbeiter zahlen.

Auch deutsche Organisationen stehen auf der Liste, unter ihnen das katholische Hilfswerk Caritas International. Sprecher Achim Reinke versichert, dass die Organisation den gesetzlichen Vorgaben nachkommt, kritisiert aber auch: »Man müsste doch eigentlich Interesse haben, dass jetzt die Hilfe zu den Menschen kommt, und nicht zusätzliche Gebühren erheben.«

Das Schreiben der Regierung hat wohl auch noch eine andere Funktion: Helfer schließen nicht aus, dass ihnen Angst gemacht werden soll. Vor nicht allzu langer Zeit wurden zwei unliebsame Mitarbeiter einer Hilfsorganisation inhaftiert und ausgeflogen. Die Überwachung im Land nimmt zu. Bei dem Brief aus Juba könnte es sich also nicht nur um eine Mahnung, sondern zusätzlich auch um einen Drohbrief handeln. Denn viele Namen stehen offenbar zu Unrecht auf der Liste: Ehemalige Mitarbeiter oder Besucher sind ebenso darunter wie Helfer, die eine gültige Genehmigung besitzen. Die Vereinten Nationen weisen zudem darauf hin, dass die südsudanesischen Behörden seit Wochen keine Arbeitsgenehmigungen mehr ausgestellt haben. Auch seien nur neun Prozent aller humanitären Helfer Ausländer. epd/nd

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal