Lob des Müßiggangs

Lena Tietgen findet, dass Entschleunigung den Leistungsdruck nur noch erhöht

  • Lesedauer: 2 Min.

Beschleunigung, einst das Zauberwort technologischer Innovation, kehrt sich in sein Gegenteil. In dem Maße, wie die Arbeit vom Computer abgenommen wird, in dem Maße verdichtet sich der Alltag. Betraf dies erst die Arbeitswelt, erfasste es mittlerweile Studierende, Schüler und sogar die Kleinen. Stichwort Bologna-Prozess, Turbo-Abi und Chinesisch in der Krippe.

Die jährliche Berichterstattung über die Zunahme psychischer Erkrankungen bei Erwachsenen komplettiert das Bild einer sich selbst erschöpfenden Gesellschaft, der es trotzdem nicht an ausgereiften Sozial- und Kommunikationstechnologien sowie an Verhaltensmaßnahmen fehlt. Das Wort »Entschleunigung« samt dazugehörenden Ratschlägen oder Modephänomenen wie die »Slow-Bewegung« mit ihren Angeboten an »Slow-Food«, dem langsamen, genussvollen Essen, oder »Slow-Travel«, dem bewussten Reisen, ist allerdings keine Gegenreaktion zur rasanten Gesellschaft. Tatsächlich bedienen diese Phänomene die Leistungsgesellschaft und stabilisieren das Leben in der Beschleunigungsschleife. Für einen Moment wird der Druck herausgenommen, verlangsamt sich das Leben. Mehr nicht.

Anders der Müßiggang, der auf Lust basiert - Lust auf Hingabe. Für alle Generationen ist es die Zeit spielerischer Träume, in der das Ich zur Ruhe kommt, man zu sich selbst findet, in der Kreativität gedeiht. Krank macht uns, dass wir von dieser Zeit zu wenig haben. Was wir brauchen, das ist gesellschaftlicher Müßiggang. Dass diesem noch immer der Makel der Faulheit anhaftet, zeigt, wie sehr er der Leistungsgesellschaft quer liegt.

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