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Partei mit Rassismus in der DNA
Finnlands Regierungskoalition hat den nächsten Rassismus-Skandal auf dem Tisch
Die politische Herbstsaison begann mit einem Rassismusskandal in der Regierung. Die Reden des stellvertretenden Vorsitzenden der Partei Die Finnen, Teemu Keskisarja, im A-Studio von Yle (finnischer Rundfunk, d. Red.) brachten Ministerpräsident Petteri Orpo kurzzeitig dazu, Rückgrat zu zeigen. Der gesamte erste Tag der Haushaltsdebatte, der 1. September, war der Diskussion über die »Spielregeln« zwischen den Regierungsparteien gewidmet.
Das Ergebnis war, dass die Reden und Handlungen der Abgeordneten der Regierungspartei künftig aus der Perspektive der im Spätsommer 2023 veröffentlichten Gleichstellungsmitteilung bewertet werden sollen, die auch Fragen der Diskriminierung durch Rassismus enthält.
Die linke Medienlandschaft in Europa ist nicht groß, aber es gibt sie: ob nun die französische »L’Humanité« oder die schweizerische »Wochenzeitung« (WOZ), ob »Il Manifesto« aus Italien, die luxemburgische »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek«, die finnische »Kansan Uutiset«, der britische »Morning Star« oder »Naše Pravda« aus Prag. Sie alle beleuchten internationale und nationale Entwicklungen aus einer progressiven Sicht. Mit einer Reihe dieser Medien arbeitet »nd« bereits seit Längerem zusammen – inhaltlich zum Beispiel bei unserem internationalen Jahresrückblick oder der Übernahme von Reportagen und Interviews, technisch bei der Entwicklung unserer Digital-App.
Mit der Kolumne »Die Internationale« gehen wir einen Schritt weiter in dieser Kooperation und veröffentlichen immer freitags in unserer App nd.Digital einen Kommentar aus unseren Partnermedien, der aktuelle Themen unter die Lupe nimmt. Das können Ereignisse aus den jeweiligen Ländern sein wie auch Fragen der »großen Weltpolitik«. Alle Texte unter dasnd.de/international.
Die Gleichstellungserklärung war von der neuen Regierung aufgrund des Rassismus-Skandals vom Sommer 2023 überarbeitet worden. Die rassistischen Äußerungen der neuen Minister der Partei Die Finnen waren zuvor öffentlich geworden, was zum Rücktritt eines Ministers führte.
Die Partei Die Finnen hat von ihrer Regierungsposition aus immer wieder mit Rassismus kokettiert, doch erst die Ereignisse dieses Spätsommers veranlassten Orpo nun zum Handeln.
Der »Frieden« hielt aber nur drei Monate und elf Tage. Die Partei Die Finnen konnte sich nicht zurückhalten, als die Miss-Finnland-Organisation Sarah Dzafce am Donnerstag für eine als rassistisch interpretierte Geste kritisierte und ihr den Titel entzog. Ein Foto der Miss Finnland, auf dem sie mit den Fingern die Augen auseinanderzog, war in den sozialen Medien veröffentlicht worden. Der dazugehörige Text betonte, dass die Geste Dzafces rassistisch konnotiert war.
Die Abgeordneten der Finnen-Partei Juho Eerola und Kaisa Garedew veröffentlichten daraufhin ein ähnliches Foto von sich. Auch der Europaabgeordnete Sebastian Tynkkynen, der in solchen Fällen stets zur Stelle ist, tat dies.
»Kansan Uutiset« (Volkszeitung) ist seit August 2020 das Organ des finnischen Linksbündnisses Vasemmistoliitto. Zuvor hat sich das 1957 gegründete Blatt als Stimme verschiedener linker Parteien und Parteienbündnisse in Finnland verstanden. Gedruckt erscheint »KU« seit März 2020 als Monatsmagazin; die Webseite wird allerdings täglich aktualisiert. Schwerpunkte der Berichtserstattung sind insbesondere die innenpolitische Entwicklung in Finnland sowie Aktivitäten der linken Parteien und Kräfte.
»Kansan Uutiset« befand sich ursprünglich im Besitz unter anderem von Gewerkschaften, ist aber heute eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung.
Drei Monate und elf Tage nach dem Burgfriedensschluss in der Regierung stehen wir also wieder vor demselben Problem. Der von der Partei Die Finnen ausgelöste Rassismus-Skandal ist im Gange und dient dazu, die vom Premierminister wiederholt verkündete Nulltoleranz gegenüber Rassismus auf die Probe zu stellen.
Orpo selbst lehnte eine Stellungnahme zu dem Thema ab. Seinen Angaben zufolge liege die Entscheidung über den Umgang mit den Vorfällen bei den Fraktionen im Parlament, in diesem Fall also bei der Finnen-Partei.
Und genau so soll es sein gemäß den Anfang September vereinbarten Spielregeln. Es obliegt der jeweiligen Fraktion, einen Abgeordneten zu ahnden, der sich rassistisch verhalten oder geäußert hat. Die Fraktionsvorsitzenden der anderen Regierungsparteien achten darauf, dass dies auch geschieht. Sollte die Angelegenheit nicht innerhalb der Fraktion geklärt werden, wird sie an die Parteivorsitzenden weitergeleitet.
Doch was wird daraus folgen? Wird überhaupt etwas folgen? Wer glaubt, dass eine Parlamentsfraktion ihre eigenen Abgeordneten bestrafen wird, wenn die Fraktionsspitze bereits erklärt hat, dass an den verstörenden Bildern nichts Rassistisches sei? Und vor allem: Was passiert, wenn die Finnen-Partei nicht auf das Problem reagiert?
Rassismus ist tief in der DNA der Partei Die Finnen verankert. Sollte jetzt nichts geschehen, wird die Farce die gesamte restliche Legislaturperiode über andauern. Und zwar in unverhüllter Form.
Dieser Text ist am 12. Dezember in unserem Partnermedium »Kansan Uutiset« (Finnland) erschienen. Er wurde nachbearbeitet und gekürzt.
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