Kein Brexit ohne Zugeständnis

Neue Belastungen durch Regierungskrise in Irland?

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war ein Treffen am Rande des EU-Gipfel zur sogenannten Ostpartnerschaft mit sechs früheren Sowjetrepubliken am Freitag in Brüssel. Um ein Randthema aber ging es bei dem Gespräch zwischen der britischen Premierministerin Theresa May und EU-Ratspräsident Donald Tusk keineswegs. Das bekamen selbst die Partnerstaaten aus dem Osten des Kontinents zu spüren, wurde ihnen eine EU-Beitrittsperspektive doch dezidiert auch mit Hinweis auf die schwierigen Brexit-Verhandlungen verweigert.

Die Briten hatten im Juni 2016 in einem Referendum den Ausstieg aus der Union beschlossen. Doch die Gespräche über die Modalitäten und Folgen sind inzwischen festgefahren, weil es noch keine Einigung über zentrale Austrittsfragen und zu den Finanzverpflichtungen Londons gibt. Erst bei »ausreichenden Fortschritten« will Brüssel in die zweite Verhandlungsphase gehen. Auf der Agenda stünden dann auch Gespräche über ein von London dringendlich gewünschtes Handelsabkommen und eine mögliche Übergangsphase nach dem eigentlichen Austrittstermin.

May und Tusk wollten nun die stockenden Gespräche vorantreiben. Der Ratspräsident hatte klar gemacht, dass ohne britische Bewegung bei den Trennungsfragen der nächste EU-Gipfel kurz vor Weihnachten die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen beider Seiten nicht einläuten werde, so wie in London erhofft. Also hat die Premierministerin schon bei ihrer Ankunft am Freitag in Brüssel ein Entgegenkommen bei den Finanzverpflichtungen ihres Landes gegenüber der Europäischen Union nicht mehr kategorisch ausgeschlossen. Glaubt man britischen Medien, könnte die konservative Londoner Regierung ihr Angebot auf etwa 40 Milliarden Euro verdoppeln - allerdings fordert die die EU bisher rund 60 Milliarden Euro.

Misstrauensvotum in Dublin

Und nun könnte eine Entwicklung im benachbarten Irland auch noch für neue Belastungen sorgen. In Dublin hat die konservative Oppositionspartei Fianna Fail am Freitag einen Misstrauensantrag gegen die stellvertretende Premierministerin Frances Fitzgerald gestellt - ein glatter Bruch ihrer Vereinbarung mit der konservativen Regierungspartei Fine Gail von Ministerpräsident Leo Varadkar, dessen Minderheitskabinett sie bisher unterstützt. Die frühere Justizministerin steht wegen ihres Umgangs mit einem Polizisten, der als Whistleblowers Missstände öffentlich gemacht hatte und anschließend gemobbt wurde, am Pranger. Die Opposition fordert ihren Rücktritt.

Die Folgen könnten auch für Brüssel unangenehm sein. Denn sollte die Regierung durch das Misstrauensvotum stürzen, stünde EU-Mitglied Irland kurz vor dem wichtigen Gipfel zum britischen Brexit vor Neuwahlen - und das, nachdem schon die holperige Regierungsbildung in Berlin für erhebliche Unruhe in der EU gesorgt hat. Außenminister Simon Coveney warf der Opposition am Rande des gestrigen EU-Gipfels dann auch mit Blick auf die irischen Interessen »rücksichtloses« Verhalten vor. »Wir stehen vor enorm wichtigen Entscheidungen über die Zukunft Irlands«, betonte er mit Blick auf den Brexit. Ist doch die Gestaltung der künftigen EU-Außengrenze zwischen Irland und der britischen Provinz Nordirland eine der großen Streitfragen im Brexit-Prozess. In Dublin befürchtet man nicht nicht nur gravierende wirtschaftliche Verwerfungen, sondern sieht auch den fragilen Friedensprozess zwischen Katholiken und Protestanten gefährdet.

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