Mit Steinen auf Wölfe werfen

Bauern halten geplante Verordnung zum Schutz der Viehherden für zahnlos

»Erst sollen wir teure Zäune bauen, die nirgendwo auf der Welt funktionieren, dann sollen wir den Wolf mit Mitteln erschrecken, die nirgendwo auf der Welt funktionieren, dann sollen wir ihn lebend fangen, obwohl ihn niemand haben will.« Reinhard Jung, Geschäftsführer des brandenburgischen Bauernbundes, schimpfte bereits über den ersten Entwurf einer Wolfsverordnung des Agrarministeriums. Mit dem zweiten Versuch, Stand 22. November, ist er ebenfalls nicht einverstanden. »Nach diesem Papier wird in Brandenburg nie ein Wolf geschossen«, glaubt Jung.

Der Biobauer, der in Lennewitz in der Prignitz Mutterkühe und Kälber hält, hat ganz andere Vorstellungen. Sobald in einem Wolfsrevier ein Nutztier gerissen wird, soll dort in den folgenden zwölf Monaten jeder Wolf abgeknallt werden, der sich einer Viehherde auf weniger als 1000 Meter nähert. »Denn er kommt nicht zum Kuscheln«, sagt Jung.

Diese Forderung kann das Agrarministerium aber unter keinen Umständen erfüllen. »Internationales Naturschutzrecht kann nicht ausgehebelt werden«, betont Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade.

Warum dann überhaupt eine spezielle Wolfsverordnung? »Die Alternative wäre, nichts zu machen. Dann lassen wir aber unsere Naturschutzkollegen in den Landkreisen, die bisher die Hauptlast bei schwierigen Entscheidungen im Umgang mit auffälligen Wölfen tragen müssen, weiter allein im Regen stehen, und es gibt dann auch kein landeseinheitliches Vorgehen.« Im übrigen gebe es bereits gute Erfahrungen mit einer Kormoranverordnung und einer Biberverordnung. Wenn alle Beteiligten sich am Machbaren orientieren und zu Kompromissen in der Lage sind, dann könne die vorliegende Wolfsverordnung durchaus zur Problemlösung beitragen.

Bis Mitte Dezember können redaktionelle Veränderungen am Entwurf vorgenommen werden. Doch danach soll die Verordnung noch vor dem Jahreswechsel erlassen werden. In der Verordnung wäre geregelt, unter welchen Bedingungen und von wem ein Wolf getötet werden darf. Wölfe, die Menschen bedenklich nahe kommen oder in Ortschaften eingedrungen sind, dürfen verscheucht dabei notfalls auch mit Stöcken geschlagen oder mit Steinen beworfen werden - aber ohne sie zu verletzten! Um sie zu verscheuchen, darf den Isegrims aber nicht förmlich nachgestellt werden.

Vergrämt werden - das ist die nächste Stufe - dürfen nur Wölfe, die keine Welpen mehr sind und die sich Menschen auf bis auf 30 Meter genähert haben. Außerdem auch solche Wölfe, die tagsüber wiederholt in Ortschaften gelaufen sind oder sich mehrere Tage in Folge an Siedlungen herangepirscht haben. Das sogenannte Vergrämen kann beispielsweise durch Abfeuern von Gummigeschossen und Warnschüssen, durch Blendung mit Scheinwerfern oder durch Lärmerzeugung mittels elektronischer Geräte erfolgen. Zum Vergrämen berechtigt sind nur durch die Naturschutzbehörden speziell dazu ermächtigte Personen. Wenn alles nichts hilft, ist es Tierärzten gestattet, Wölfe mittels Fallen oder Betäubung einzufangen. Letztendlich könnten Jäger oder Polizisten aggressive Wölfe auch erschießen, damit diese Tiere keine Menschen anfallen.

Die gezielte Tötung bestimmter Wölfe soll laut Verordnungstext auch erlaubt sein, um drohende erhebliche Schäden der Landwirtschaft abzuwenden. Allerdings unter strengen Bedingungen. So muss der Bauer nicht allein die Mindeststands zum Schutz seiner Schafe, Ziegen, Rinder oder Pferde erfüllen, sondern darüber hinaus alle zumutbaren Maßnahmen getroffen haben. Wenn einer oder mehrere Wölfe trotzdem mindestens zweimal in die Weidetierbestände eingebrochen sind, darf scharf auf diese Raubtiere geschossen werden.

»Wir brauchen nicht weiter darüber zu reden«, schrieb Biobauer Jung enttäuscht an Agrarstaatssekretärin Carolin Schilde. Enttäuscht ist auch Landesbauernpräsident Henrik Wendorff - und Waldbesitzerverbandschef Thomas Weber erklärte: »Der Grad an Praxisferne macht einen sprachlos.« Biobauer Jung bleibt bei der Forderung, nach einem Wolfsriss zwölf Monate lang jeden Wolf abzuschießen, der sich auf 1000 Meter an eine Viehherde heranwagt. »Über die Zahl der Stunden, Monate und Meter könnten wir sicher verhandeln, nicht aber über das Prinzip.« Allerdings ist das Agrarministerium zum Verhandeln mit den Bauern nicht gezwungen. Es muss nur die Naturschutzverbände beteiligen.

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