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  • Spitzel-Vorwürfe gegen türkische Geistliche

Spionage-Ermittlungen gegen türkische Imame eingestellt

LINKE wirft Bundesregierung »schützende Hand über das Erdogan-Netzwerk« vor

  • Lesedauer: 2 Min.

Karlsruhe. Knapp zehn Monate nach Durchsuchungen wegen Spitzel-Vorwürfen gegen den türkisch-islamischen Moscheeverband Ditib sind die Ermittlungen gegen mehrere Geistliche eingestellt worden. Wie die Bundesanwaltschaft am Mittwoch in Karlsruhe mitteilte, sieht sie bei sieben Männern zwar einen hinreichenden Tatverdacht. Weil diese aber Deutschland mit unbekanntem Ziel verlassen haben, kann keine Anklage gegen sie erhoben werden. Die Spionage-Ermittlungen gegen Mitarbeiter des türkischen Geheimdienstes (MIT) wegen Ausspähung angeblicher Gülen-Anhänger in Deutschland dauern aber an.

Die Geistlichen wurden verdächtigt, Informationen über Anhänger der Gülen-Bewegung gesammelt und an das türkische Generalkonsulat in Köln berichtet zu haben. Die Türkei macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich.

In sieben weiteren Fällen gab es nach Auswertung der bei den Razzien sichergestellten Unterlagen, Datenträger und Kommunikationsmittel keinen Nachweis dafür, dass die Betroffenen Informationen an die Türkei geliefert hätten. Bei fünf anderen Beschuldigten wurde von der Verfolgung »wegen Geringfügigkeit« abgesehen.

Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass sie dem türkischen Generalkonsulat nur sehr allgemeine Erkenntnisse mitgeteilt haben. Hätten sie dies nicht getan, hätten sie möglicherweise »erhebliche Repressionen durch staatliche Stellen der Türkei befürchten« müssen.

Die stellvertretende Linksfraktionschefin im Bundestag, Sevim Dagdelen, kritisierte die Einstellung der Verfahren scharf. Sie warf der Bundesregierung vor, ihre »schützende Hand über das Erdogan-Netzwerk« zu halten. »Notwendig ist jetzt ein entschiedenes Vorgehen gegen die unheilvolle Allianz aus Lobbyisten, Agenten, Imamen, Internet-Trollen und Schlägerbanden in Deutschland«, erklärte sie und forderte parlamentarische Aufklärung. Eine Verharmlosung des von Ankara gesteuerten Moscheeverbandes DITIB sei fehl am Platz.

Im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die Geistlichen hatte die Bundesanwaltschaft im Februar Wohnungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz durchsuchen lassen. In einem Brief der türkischen Religionsbehörde waren Mitarbeiter der Konsulate aufgefordert worden, über ihre Kanäle Informationen über Aktivitäten der Gülen-Bewegung in Deutschland zu liefern. Ditib-Generalsekretär Bekir Alboga hatte später erklärt, »einige wenige Ditib-Imame« seien fälschlicherweise diesen Anweisungen gefolgt. Er sprach von einer Panne, die der Verband bedauere. dpa/nd

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