Härtere Kapitalregeln für Banken

Ein Jahrzehnt nach dem Ausbruch der großen Krise stehen Europa und die USA vor der Einigung über »Basel III«

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach langem Streit scheinen sich die Bankenaufseher aus Europa und den USA nun doch einig zu werden. Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), gab im November den Startschuss zum Endspurt für die Ausarbeitung neuer, härterer Eigenkapitalregeln für Kreditinstitute. Draghi gehört dem Direktorium der in Basel angesiedelten Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) an, unter deren Dach die Spitzen der Notenbanken und Aufsichtsbehörden der 27 wirtschaftlich wichtigsten Staaten sowie der EU über solche weltweit gültigen Vorgaben diskutieren. Im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht soll an diesem Donnerstag das neue Regelwerk, kurz »Basel III«, verabschiedet werden. Wie in solchen Gremien üblich, wird um Einstimmigkeit gerungen.

Bislang scheiterte ein Kompromiss an zwei Konfliktlinien. Da sind zunächst die unterschiedlichen Interessen der Banken in den USA und der EU. In angelsächsischen Ländern spielt das Kapitalmarktgeschäft eine weit wichtigere Rolle als in Kontinentaleuropa. Insbesondere US-Firmen nehmen zur Finanzierung ungern Bankkredite auf, sie veräußern lieber Aktien an Anleger. Entsprechend bedeutend für Wirtschaft und Sparer sind die Börsen. Dagegen schwimmt die Börse diesseits des Atlantiks nur am Rande mit. Lediglich 6 von 100 Bundesbürgern besitzen direkt Aktien. Und die meisten Unternehmen in der EU verschaffen sich frisches Geld über Bankdarlehen. So liegt die Eigenkapitalquote im deutschen Mittelstand bei unter 30 Prozent - rund 70 Prozent des alltäglichen Geschäftes werden hingegen fremd finanziert, vornehmlich durch Kredite.

Entsprechend schwer wiegen diese Produkte in den Bankbilanzen. Hinzu kommen Abermillionen Darlehen an Häuslebauer. Hypothekenkredite füllen einen üppigen Teil der europäischen Bilanzen - US-Institute übertragen dagegen die Wohnungsbaudarlehen meist auf staatliche Förderbanken wie Fannie Mae. Insgesamt haben laut Bundesbank die Banken im Euroraum Kredite im Volumen von 13 Billionen Euro an Private und Unternehmen vergeben - weit mehr als an die hoch verschuldeten öffentlichen Haushalte.

Im Kern sieht »Basel III« vor, jedes Geschäft einer Bank gemäß dem jeweiligen Risiko abzusichern. Das ist löblich, denn mehr Eigenkapital bedeutet mehr Sicherheit in turbulenten Zeiten. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass wieder der Staat und seine Steuerzahler Banken retten sollen.

Der interessengeleitete Streit zwischen USA und EU bündelt sich in der Frage, in welchem Umfang Kredite abgesichert werden sollen. Die Position Washingtons sah schon vor Donald Trump eine hohe und damit besonders für die europäischen Kreditinstitute teure Absicherung vor. Die USA hatten gefordert, dass der intern ermittelte Kapitalbedarf nicht unter 75 Prozent des Werts nach einem Standardmodell fallen darf. Europa dringt auf 70 Prozent. Als möglicher Kompromiss gilt ein »Floor« von 72,5 Prozent.

Was für Außenstehende wie Erbsenzählerei erscheinen mag, ist ein Gerangel um Milliarden an Euro oder Dollar. Gestritten wird damit letztlich um die Wettbewerbsfähigkeit. Dieser neuralgische Punkt verhindert seit über einem Jahr einen Abschluss, obwohl »Basel III« ansonsten fast vollständig fertig in den Schubladen liegt.

Eine zweite Konfliktlinie waren bis zuletzt die Ausnahmeregelungen für kleinere Institute, die eine Überforderung befürchten und ihre Kreditnehmer so gut zu kennen glauben, dass sie das Risiko selbst abschätzen können. Davon betroffen sind die in Deutschland weit verbreiteten Genossenschaftsbanken und Sparkassen.

Am Ende helfen die besten Regeln wenig, wenn sich nicht alle daran halten müssen. Die USA haben frühere Basel-Regeln bis heute nicht komplett umgesetzt. Andererseits drücken europäische Aufseher beide Augen zu, wenn sie die Konkurrenzfähigkeit heimischer Kreditinstitute bedroht sehen. Experten warnen schon vor neuen Risiken an den internationalen Finanzmärkten und vor Sorglosigkeit.

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