Lieferdienste: Landesminister wollen Subunternehmen verbieten

Arbeits- und Sozialministerkonferenz fordert von der Bundesregierung ein Direktanstellungsgebot für Lieferdienste

Im Auftrag des Lieferdienstes, aber angestellt bei wem? Die Uniform der Kuriere gibt darauf keine Antwort.
Im Auftrag des Lieferdienstes, aber angestellt bei wem? Die Uniform der Kuriere gibt darauf keine Antwort.

Die Arbeits- und Sozialminister*innen der Länder haben die Bundesregierung aufgefordert, Subunternehmen in der Lieferbranche zu unterbinden. Per Mehrheitsbeschluss (bei Ablehnung von Baden-Württemberg und Enthaltung von Bayern, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern) stimmte die am Donnerstag zu Ende gegangene Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) einem entsprechenden Antrag zu.

Die ASMK fordert damit von der Bundesregierung, »ein Direktanstellungsgebot für Plattformbeschäftigte im Bereich der Essenslieferdienste gesetzlich zu verankern«. Eine bindende Wirkung haben die Beschlüsse der Konferenz nicht, demnach auch keine unmittelbare Konsequenz weder für die Bundesregierung noch für Firmen wie Lieferando, Uber Eats und Wolt. Die Rolle der ASMK ist vor allem eine diskurspolitische. Wollen die Länder das Anliegen weitertreiben, bliebe ihnen der Gesetzgebungsweg über den Bundesrat.

Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) begründete den Beschluss auf »nd«-Nachfrage mit den »vielen prekären Arbeitsverhältnissen« in der Branche. »Als Arbeitsminister sind wir so drauf, dass wir keine prekären Arbeitsverhältnisse haben wollen«, sagte Laumann. Er verwies auf die guten Erfahrungen, die man mit einer ähnlichen Regelung in der Fleischwirtschaft gemacht habe. »Wir haben trotzdem noch eine Fleischindustrie«, sagte der CDU-Politiker. Ihm zufolge hielten die Minister*innen ein Anstellungsangebot auch in der Lieferbranche für machbar.

»Lange war es in Ordnung gewesen. Jetzt hat es eine Entwicklung gegeben, sodass man nicht mehr von fairer Arbeit reden kann«, sagte Laumann weiter. In Berlin begannen die ersten Lieferdienste ihr Geschäft vor etwa zehn Jahren. Schon damals sahen sich Unternehmen wie Deliveroo dem Vorwurf der Scheinselbstständigkeit ausgesetzt. Doch als Lieferando zum Monopolisten in der Hauptstadt aufstieg, schien das Thema Selbstständigkeit erledigt. Lange schmückte sich Lieferando damit, alle Fahrer*innen direkt anzustellen.

»Lange war es in Ordnung gewesen. Jetzt hat es eine Entwicklung gegeben, sodass man nicht mehr von fairer Arbeit reden kann.«

Karl-Josef Laumann (CDU) Arbeitsminister von Nordrhein-Westfalen

Seit ein paar Jahren sieht sich die Branche nun vor einem Rollback. Uber Eats und Wolt setzen ausschließlich beziehungsweise mehrheitlich auf die Beschäftigung von Selbstständigen über Drittfirmen, sogenannte Flottenpartner. Lieferando will deutschlandweit 1500 seiner 10 000 Kurierfahrer*innen kündigen und sie ebenfalls durch Flottenpartner ersetzen. Laut einem Mitglied des Gesamtbetriebsrats seien den betroffenen Beschäftigten die Kündigungen am Freitag per Kurier zugestellt worden.

Das Unternehmen begründet die Umstrukturierung unter anderem mit der finanziell günstigeren Beschäftigungspraxis der Konkurrenz. Eine Pflicht zur Direktanstellung sieht Lieferando kritisch. Dadurch würden sich die Preise für Händler und Verbraucher*innen erhöhen. Einige Beschäftigte wehren sich, in mehreren Städten legten die Rider ihre Arbeit nieder.

In Berlin zeigte sich auch Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) an der Seite der Streikenden. Sie kündigte an, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen. Der nun erfolgte Beschluss der ASMK sei ein wichtiger Schritt, sagte die Senatorin. Berlin hatte den Antrag selbst in die Konferenz eingebracht. »Befristete Verträge, niedrige Löhne, Abhängigkeit von undurchsichtigen Algorithmen. Komplexe Subunternehmerstrukturen verschleiern jede klare Verantwortlichkeit. Das ist kein Randphänomen mehr. Das ist die neue Arbeitswelt für Zehntausende Menschen in unserem Land«, sagte Kiziltepe. Es liege nun an der Bundesregierung, eine Regelung zu schaffen.

Die SPD-Politikerin wies darüber hinaus auf die Verantwortung der Unternehmen hin: »Wer von der Arbeit anderer profitiert, wer die Arbeit organisiert, wer Weisungen erteilt und Algorithmen einsetzt, um jede Minute der Arbeitszeit zu steuern und zu überwachen, der muss in einem Sozialstaat auch Verantwortung übernehmen.«

Inwiefern der ASMK-Appell nun Wirkung entfaltet, bleibt abzuwarten. Das Bundesarbeitsministerium entwirft gerade ein Gesetz zur Umsetzung der EU-Plattformrichtlinie ‒ eine gute Gelegenheit, für Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas ihrer SPD-Kollegin Kiziltepe zu folgen und ihrer Grußbotschaft an die streikenden Rider Taten folgen zu lassen. Aus ihrem Hause hieß es zuletzt gegenüber »nd«, dass die EU-Plattformrichtlinie für Beschäftigte bei Subunternehmen lediglich einen Schutz äquivalent zu einer Festanstellung vorgebe. Ein Direktanstellungsgebot sei hierbei nur eine der denkbaren Maßnahmen, die aktuell geprüft würden.

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