»Stadt für alle« ist in Gefahr

Hamburg: Trotz Mietpreisbremse und Wohnungsbau stiegen die Mieten seit 2015 deutlich

  • Volker Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.

In Hamburg gibt es 938 000 Wohnungen, rund 720 000 davon sind Mietwohnungen. Und die werden immer teuer, wie Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) im Rathaus bei der Präsentation des neuen Hamburger Mietenspiegels verkündete. Seit 2015 haben sich die Netto-Kaltmieten in Hamburg durchschnittlich um 5,2 Prozent erhöht - von 8,02 auf 8,44 Euro pro Quadratmeter. Damit sind Mieten seit 2011 um satte 18 Prozent gestiegen, mithin dreimal so schnell wie die sonstigen Lebenshaltungskosten!

Verglichen mit anderen Großstädten liegt Hamburg bei der Mietpreisentwicklung dabei sogar nur im Mittelfeld. In München (11,23 Euro), Frankfurt/Main (8,82 Euro) und Stuttgart (8,44 Euro) ist das Wohnen noch teurer. Deutlich besser steht Berlin mit einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 6,39 Euro da, verzeichnet allerdings aktuell mit 9,4 Prozent (von 2015 bis 2017) über die größte Steigerungsrate.

Die Mieten in Hamburg gingen vor allem in guten Wohnlagen durch die Decke, durchschnittlich um mehr als sieben Prozent. Die stärkste Steigerung gab es laut Stapelfeldt bei 66 bis 91 Quadratmeter großen »minderausgestatteten Altbauwohnungen« (23,2 Prozent), bei den »Nachkriegsbeständen« (Bauten von 1948 bis 1960) sowie in der Baualtersklasse von 1961 bis 1977.

Insgesamt lässt sich feststellen: Weder die im Juli 2015 eingeführte Mietpreisbremse noch die Wohnungsbauoffensive des Senats mit 16 000 neuen Einheiten konnten die erneute Mietensteigerung stoppen. Grund dafür ist das Bevölkerungswachstum um 40 000 Personen in diesem Zeitraum. Gründe, die die Stadtentwicklungssenatorin veranlassten, von einer »hohen Nachfrage auf einem weiterhin dynamischen Wohnungsmarkt« zu sprechen.

Stapelfeldt versprach deshalb, die Anstrengungen des Senats fortzusetzen, um jährlich den Bau von mindestens 10 000 Wohnungen auf den Weg zu bringen, denn: »Ein Stillstand auf dem Wohnungsmarkt wäre verheerend für Menschen mit geringem Einkommen. Hamburg muss eine Stadt für alle bleiben.« Die Folgen der davon aktuellen Entwicklung dürften viele Hamburger schon bald in ihrem Geldbeutel spüren: Statt eines schönen Weihnachtsgeschenks werden viele der 720 000 Hamburger Mieterhaushalte pünktlich zum Fest eine saftige Mieterhöhung von ihrem Vermieter präsentiert bekommen. Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg, fürchtet, dass nach der Veröffentlichung des Mietenspiegels Anfang Dezember bis zu 200 000 Haushalte betroffen sind. Und er warnt diese davor, Mieterhöhungsverlangen ungeprüft zu akzeptieren: »Jede unberechtigte Mieterhöhung benachteiligt nicht nur den unmittelbar betroffenen Mieter, sondern führt auch dazu, dass diese Mieten in den nächsten Mietenspiegel einfließen.«

Während der Mieterverein den Senat auffordert, den Steigflug der Mieten durch forcierten Wohnungsneubau, die Nachbesserung bei der Erstellung des Mietenspiegels (alle Mieten sollen darin einfließen, nicht nur die Neuvertragsmieten) und durch Erlass von sogenannten Sozialen Erhaltungsverordnungen zu stoppen, zeigten sich Vertreter der Wohnungswirtschaft zufrieden mit der Entwicklung auf dem Mietmarkt. Torsten Flomm vom Hamburger Grundeigentümerverband sprach von einer »moderaten Preisentwicklung«. Und Axel Wittinger, Vorsitzender des Immobilienverbands IVD, erklärte, die Steigerung um 5,2 Prozent habe ihn nicht verblüfft: »Die Handwerkerlöhne sind noch stärker gestiegen. Deshalb sind Mieterhöhungen in dieser Größenordnung zur Gebäudeerhaltung wichtig.«

Die LINKE in der Hansestadt sieht das anders. »Der Senat muss endlich andere Wege in der Mietenpolitik gehen«, sagte Heike Sudmann, wohnungspolitische Sprecherin der LINKEN in der Hamburgischen Bürgerschaft. »Eine Erhöhung des Anteils geförderter Wohnungen auf mindestens 50 Prozent jährlich gehört ebenso dazu wie der verstärkte Neubau mit SAGA und gemeinwohlorientierten Genossenschaften, die für eine sozialere Mietenpolitik stehen.« Im ersten Schritt sollte, ähnlich wie in Berlin, auf Mieterhöhungen beim städtischen Wohnungsunternehmen SAGA verzichtet werden, erklärte Sudmann.

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