Permakultur ist eine Alternative

Afrikas Kleinbauern versuchen, sich mit Selbsthilfe gegen den Vormarsch der Agrarmultis zu wehren

  • Roland Bunzenthal
  • Lesedauer: 5 Min.

Weiter so mit der Agrarindustrie oder hin zu agrarökologischen Ansätzen. Dieser Streit tobt, seit der Weltagrarbericht 2008 zur Überraschung vieler sich für Letzteres ausgesprochen hat. Zur Überraschung, weil dieses von der Weltbank eingerichtete Expertengremium nicht mit ideologieverdächtigen Ökologen besetzt ist, sondern mit Fachleuten mit unterschiedlichstem Hintergrund. Dieser Streit überlagert auch die Ausarbeitung der Erklärung zu den Rechten der 800 Millionen Kleinbauern. Die UN-Kommission für Menschenrechte hatte 2012 einen Arbeitskreis eingesetzt für die Erklärung, der jedoch auch nach 17 Sitzungen noch immer keine gemeinsame Linie gefunden hat. Grund für die fehlende Harmonie ist der Streit zwischen den Vertretern einer industriellen »modernen« Landwirtschaft und den Befürwortern eines alternativen agrarökologischen Ansatzes.

Der Schweizer Publizist Jean Ziegler ist Teil des Arbeitskreises. Er kritisiert die »moderne Landwirtschaft der Agromultis«: »Das tägliche Massaker des Hungers ist der größte Skandal unserer Zeit. Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind.«

Zwischen den Folgen des Klimawandels, der den notwendigen Regen ausfallen lässt, und der Verdrängung durch Agrarkonzerne versuchen die Kleinbauern in Afrika verschiedene Überlebensstrategien. Besonders schwer haben es jene Bauern, die in den Halbwüsten am Rand der Sahara ihr karges Dasein fristen. Beispiel für eine gelungene Überwindung der Misere aus eigener Kraft ist jedoch jener Bauer aus Burkina Faso, der mit seinem selbst gepflanzten Wald im Wüstensand für Schlagzeilen sorgte.

1984 herrschte eine verheerende Dürre in der Sahelzone mit zahlreichen Todesopfern. Das motivierte den Ackerbauern Yacouba Sawadogo im Norden von Burkina Faso, etwas dagegen zu unternehmen. Er besann sich der alten, »Zaï« genannten, Methoden seiner Vorfahren. Sawadogo erkannte aber, dass man diese alten Methoden verbessern muss, um sie sinnvoll anzuwenden. Er vergrößerte die Zaï-Löcher, ummantelte den Samen mit einer Mischung aus Blättern, Dung und Asche, legte Reihen von Steinen, um den Abfluss des Wassers aufzuhalten. Schon die erste Ernte war ein Erfolg, sie füllte Sawadogos Hirsespeicher. In den folgenden Jahren pflanzte er probeweise unterschiedliche Arten von Bäumen. In ihrem Schatten gediehen zudem andere Nutzpflanzen. Das Ergebnis war eine grüne Oase in der Wüste.

Der »Pionier« des alternativen Ackerbaus hatte auf seinem Weg allerdings heftige Widerstände zu überwinden. Als sein Wald die Größe von 20 Fußballfeldern erreichte, weckte dies die Begehrlichkeit ausländischer und nationaler Investoren. Nur seine inzwischen erreichte Popularität verhinderte vermutlich seine Enteignung.

Viele Kleinbauern sind dem doppelten Druck der klimageschädigten Natur und der unerbittlich vordringenden Agrarkonzerne nicht gewachsen. Das zeigt ein Beispiel aus Tunesien: Hinter dem Wald von Dattelpalmen in der Oase erhebt sich drohend eine gut 20 Meter hohe Wand aus Sand. Einzelne Büsche ragen heraus, von den Bauern als Bremse gegen den Vormarsch der riesigen Dünen gedacht. Vergeblich! Beim nächsten Sandsturm droht die Düne, den Wald unter sich zu begraben. Die rund 100 Kleinbauern der Oase im tunesischen Teil der Sahara sind auf die Früchte der Dattelpalmen angewiesen, sind sie doch die einzige Einnahmequelle. Vor 30 Jahren hatte sie die tunesische Regierung mit dem Versprechen einer weiteren Unterstützung in das Oasengebiet gelockt. Die Bauern sollten als Vorposten den Vormarsch der Wüste verhindern. Heute scheinen die Bauern jedoch den Kampf gegen die Natur zu verlieren. Sie hoffen bislang vergeblich auf den damals versprochenen staatlichen Beistand.

Die Zahl ungelöster Probleme der Ökonomie und Ökologie hat für die arme Landbevölkerung zuletzt eher zu- als abgenommen: Abgeschirmte EU-Absatzmärkte für afrikanische Waren, Dumpingkonkurrenz in Afrika durch subventioniertes Fleisch aus der EU, Landraub durch die Plantagenwirtschaft der Multis, die mit ihrer den Boden auslaugenden chemiegestützten Monokultur zudem die Kleinbauern verdrängt. Und last, but not least heizen die sinkenden Preise für afrikanische Rohstoffe wie Kaffee den Verteilungskampf weiter an.

Dort, wo Frieden herrscht auf dem Kontinent, wächst die Wirtschaft mit Rekordraten. Doch in die Statistik gehen die kleinen, stagnierenden Subsistenzbauern kaum ein, umso mehr dafür die expandierenden Multis - allen voran der künftige Marktführer bei Saatgut und Pestiziden, Bayer-Monsanto. Für den Ausbau ihrer Plantagen erkaufen diese häufig das Wohlwollen der lokalen Politik.

Aktuelles Beispiel ist Sambias Regierung. Sie vergibt große Stücke Ackerland an ausländische Investoren, um die Exporteinnahmen zu erhöhen. Als Folge davon werden Bewohner von ihrem Land vertrieben; zahlreiche Fälle von Landraub hat die Menschenrechtsorganisation FIAN dokumentiert. Was für Sambia gilt, gilt auch für Sierra Leone »plündern Unternehmen das Land aus«, beklagt FIAN. Mit Druck und falschen Versprechen wurden die Kleinbauern dazu gebracht, Tausende Hektar Land an den übermächtigen Investor Socfin zu verpachten. Socfin ist ein Subunternehmen von Bolloré, einer französischen Investment- und Industrieholding.

Zunehmend wird auch die Produktion von Agrosprit zum Verdrängungsfaktor. In Äthiopien sieht die Regierung 23 Millionen Hektar - ein Drittel des verfügbaren Ackerlandes - für den Anbau von Agrospritpflanzen vor. Das Argument der Regierung, es handle sich stets um ungenutztes Land, nimmt niemand in Äthiopien noch ernst.

Es bleibt den afrikanischen Landwirten häufig nur eine Alternative: der Wechsel zu alternativen Anbaumethoden mit weniger Inputkosten und wegen der Bioqualität größeren Chancen auf den Absatzmärkten. Eine Richtung der alternativen bäuerlichen Landwirtschaft ist die Permakultur. Ihr Ziel ist es, eine ausreichende Ernährung zu sichern, ökologische Anbaumethoden anzuwenden, die schädlichen CO2-Emissionen zu drosseln und die Ackerböden wieder fruchtbar zu machen. Gerade in Trockengebieten wie dem Sahel bringt die Permakultur erhebliche Erträge pro Hektar Boden. Dabei wird eine Kreislaufwirtschaft etabliert, die auf der Kombination verschiedener Feldfrüchte beruht, deren Kompost zugleich als Dünger dient. Das macht die Bauern unabhängig von den Saatgut- und Pestizidkonzernen und erweitert die vielfach einseitige Ernährung der Bauern Afrikas. Die Erklärung der Vereinten Nationen sollte das als Richtschnur nehmen.

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