Der Flughafen liegt am Boden

Es mehren sich Zweifel, ob das Terminal des Hauptstadtairports BER jemals fertig wird

Einmal muss es doch funktionieren, oder? Am Großflughafen BER wird ein Feuer simuliert. Der Rauchmelder schlägt an, am Dach öffnen sich automatisch Klappen, damit der Qualm abziehen kann, und eine Durchsage ertönt: »Achtung, Achtung, bitte räumen Sie sofort das Gebäude! Benutzen Sie keine Aufzüge! Helfen Sie hilfsbedürftigen Personen und Kindern!« Ingenieur Torsten Simon stellt befriedigt fest: »Es funktioniert.«. Aber als Simon gefragt wird, ob der Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld nun also eröffnen könnte, muss er Lachen. Ein paar Monate ist das her. Ein Kamerateam hat die Szene aufgezeichnet, Spiegel TV strahlte die Bilder aus.

»Es funktioniert«, hat Simon gesagt. Aber tatsächlich funktioniert auf der Baustelle sehr wenig. Lediglich drei Prozent der Anlagen haben ein TÜV-Siegel, heißt es. 170 000 Mängel galt es ursprünglich zu beheben. Jetzt seien es noch 13 000, hatte der neue Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup den Reportern von Spiegel TV erklärt. Mittlerweile ist hinter vorgehaltener Hand von 7000 großen und kleinen Problemen die Rede. Das klingt nach gewissen Fortschritten. Doch dem Vernehmen nach stoßen die Bauarbeiter, während sie schon bekannte Mängel beheben, laufend auf neue Schwierigkeiten.

Da herrscht natürlich Skepsis, egal, welchen Eröffnungstermin Lütke Daldrup nun auch immer nennen wird. Diesen Freitag im Aufsichtsrat will er das tun. So hat er es zumindest angekündigt. Doch nicht nur Brandenburgs CDU-Landtagsfraktion weiß: »In der Vergangenheit wurden Eröffnungstermine und Zeitpläne immer von der Realität überholt und erwiesen sich als nicht von Fakten untersetzte politische Wunschvorstellungen.« Mit dieser Begründung bestimmte die CDU die Aktuelle Stunde des Landtags am Donnerstag in Potsdam. Die stand unter der Fragestellung: »Wie belastbar wird der neue Eröffnungstermin sein?«

Auslöser war ein nichtöffentlicher Vor-Ort-Termin des BER-Sonderausschusses des Landtages am 4. Dezember. Da soll Technikchef Jörg Marks den Abgeordneten erstmals reinen Wein eingeschenkt haben, so das Gefühl mehrerer Politiker, die dabei gewesen sind. Nachdem bei ihnen jahrelang mal mehr und mal weniger der Eindruck erweckt wurde, es seien jeweils nur noch ein paar Kleinigkeiten zu erledigen und man sei auf einem guten Weg, waren die Abgeordneten nun ziemlich schockiert.

Einige fragen sich jetzt sogar, ob es nicht besser wäre, das verpfuschte Terminal abzureißen und ein neues zu bauen. »Diese Überlegung hätte man irgendwann anstellen müssen«, findet Christine Dorn. Sie ist Vorsitzende des Bürgervereins Brandenburg-Berlin (BVBB), der seit zwei Jahrzehnten gegen den Flughafenstandort Schönefeld kämpft. Der Alternativstandort Sperenberg fiel einst auch deswegen aus den Überlegungen heraus, weil dessen auf umgerechnet 450 Millionen Euro veranschlagte Verkehrsanbindung als zu teuer empfunden wurde, erinnert Dorn.

Die Summe wirkt heute lächerlich gering angesichts der Kostenexplosion in Schönefeld. Statt der kalkulierten zwei Milliarden Euro sind hier schon mehr als fünf Milliarden verschleudert worden. Nach Ansicht von Christine Dorn wäre es ein Zeichen wirtschaftlicher Vernunft, endlich die Reißleine zu ziehen. Sie hat ein griffiges Beispiel: Wenn ein Informatiker ein Programm schreibe und am Ende nicht innerhalb einer bestimmten Zeit alle Fehler gefunden und ausgemerzt habe, dann schreibe er das Programm lieber gleich neu, weil das weniger aufwendig sei, als weiter die Fehler zu suchen.

Dass die Standortgegner solche Ansichten vertreten und dabei hoffen, dass Sperenberg wieder ins Spiel kommt, ist nichts Neues. Neu ist jedoch, dass nun auch Politiker dazu tendieren, die diese Variante früher noch für irrwitzig gehalten hätten.

Kann es denn überhaupt noch was werden mit dem verkorksten Terminal? »Meine Zweifel sind zunehmend gewachsen«, bekennt der Landtagsabgeordnete Axel Vogel (Grüne). Nach seiner Ansicht sieht alles »ziemlich ausweglos aus«. Darum schlägt Vogel einen Baustopp vor. Dann wäre zu analysieren, ob das Gebäude durch Entkernen noch zu retten sei oder lieber abgerissen werden sollte. Der Baustopp wäre vernünftiger, als nach dem Prinzip Hoffnung einen möglichst weit entfernten Eröffnungstermin zu nennen, der dann doch wieder nicht gehalten werden kann.

Spekuliert wurde zuletzt auch, ob der Flughafen ohne das Hauptterminal mit provisorischen Abfertigungskapazitäten in Betrieb gehen könnte. Die Flughafengesellschaft hat postwendend dementiert. »Die Inbetriebnahme des BER wird mit allen Gebäuden erfolgen«, teilte sie trotzig mit. »Trotz aller technischen Schwierigkeiten bleibt das Fluggastterminal das Kernstück des BER und wird fertiggestellt.«

Aber was wird das noch kosten und wer wird es bezahlen? Die Flughafeneigentümer Bund, Berlin und Brandenburg haben eigentlich die Nase voll von immer neuen Geldforderungen. Zuletzt hatte es für die Zeit bis 2017 ein Darlehn gegeben, zu dem das Land Brandenburg 409,6 Millionen Euro beitrug. Weiteres Geld werde der Staat nicht spendieren, hat Finanzminister Christian Görke (LINKE) mehrmals versprochen. Im Landeshaushalt 2018 sind folgerichtig keine Mittel für die Flughafengesellschaft eingeplant. Aber was soll geschehen, wenn die Flughafengesellschaft im kommenden Jahr tatsächlich 600 Millionen Euro benötigen sollte und keinen Kredit erhält? Die aktuelle Liquiditätsreserve beträgt 1,5 Milliarden Euro.

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