Gauland würde AfD-Stiftung nach Gustav Stresemann benennen

Nachkommen des ehemaligen Reichskanzlers prüfen rechtliche Schritte, um Namensgebung zu verhindern / Für die Rechten steht der ehemalige Reichskanzler für das nationalliberale Erbe Deutschlands

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Berlin. Angesichts des AfD-Vorhabens zur Gründung einer parteinahen Gustav-Stresemann-Stiftung hat sich der Enkel des ehemaligen deutschen Reichskanzlers, der unter anderem für seine Politik der Aussöhnung mit Frankreich bekannt war, empört gezeigt. »Wir werden alle rechtlichen Schritte prüfen, um das zu unterbinden«, erklärte der 62-jährige Walter Stresemann in der »Stuttgarter Zeitung«. Seine Schwester und er seien »schockiert« von den AfD-Plänen. Christina Stresemann leitet am Bundesgerichtshof einen Zivilsenat.

Der »Bild«-Zeitung sagte Stresemann, über die Pläne seien weder er noch seine Schwester unterrichtet worden. »Wir hätten das natürlich abgelehnt«, betonte er. »Das ist derart dreist, was diese Partei da plant.« Stresemann fügte hinzu: »Was mein Großvater schließlich aus Überzeugung vertrat, steht ja fundamental gegen das, was die AfD verkörpert.«

Auch die FDP reagierte empört. Der stellvertretende Parteivorsitzende und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki bezeichnete das Vorhaben als »makaber« und »geschichtslos«. Er sprach von einer kalkulierten Provokation Gaulands.

Zuvor hatte AfD-Chef Alexander Gauland der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« vom Mittwoch von dem Gründungsvorhaben einer parteinahen Stiftung berichtet. »Ich würde es begrüßen, wenn sie Gustav-Stresemann-Stiftung heißen würde«, sagte er. Der Staatsmann stehe für das nationalliberale Erbe Deutschlands. »Diesem Erbe sieht sich die AfD verpflichtet«, fügte Gauland hinzu.

Der zweite AfD-Vorsitzende, Jörg Meuthen, sagte: »Die Persönlichkeit Gustav Stresemann würde gut zu uns passen, deshalb begrüße ich diesen Vorschlag, sofern es keine namensrechtlichen Probleme gibt.« Eine abschließende Entscheidung wolle der AfD-Bundesvorstand am 19. Januar treffen.

Eine AfD-nahe Stiftung könnte laut »Frankfurter Allgemeiner Zeitung« jedes Jahr mit einem hohen zweistelligen Millionenbetrag aus Steuergeldern rechnen. Schließlich winken Millionen aus der staatlichen Finanzierung für Parteistiftungen. Derzeit erhalten alle parteinahen Stiftungen zusammengenommen jährlich deutlich über 500 Millionen Euro.

Hoffnungen auf eine Anerkennung als AfD-nahe Stiftung macht sich auch der Verein der Desiderius-Erasmus-Stiftung. Sie war anfänglich von AfD-Gründungsmitglied Konrad Adam geleitet worden. Inzwischen steht ihr AfD-Mitglied Rainer Gross vor. Der Renaissance-Philosoph und Humanist Erasmus von Rotterdam ist auch Namensgeber für das Austauschprogramm der EU für Studenten und Studentinnen.

Protest hatte es im vergangenen März auch gegeben, als bekannt wurde, dass ein weiterer Verein die Gründung einer AfD-nahen »Immanuel-Kant-Stiftung« plant. Die nach dem Aufklärungsphilosophen benannte Kantstiftung hat sich die Erziehung zum Schutz von Frieden, Menschenrechten, Demokratie und Umwelt auf die Fahnen geschrieben.

»Hier den Überblick zu behalten, ist nicht ganz leicht«, sagte Konrad Adam. Seinen Angaben zufolge waren in der Frühphase auch der liberale österreichische Ökonom und der Philosoph Karl Popper (»Die offene Gesellschaft und ihre Feinde«) als Namenspatrone im Gespräch gewesen.

Die politischen Stiftungen waren als Reaktion auf die Erfahrungen aus der Weimarer Republik gegründet worden. Sie leisten einen Beitrag zur politischen Bildung, beispielsweise durch Veröffentlichungen und Stipendien und werden überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert. Zu den bundesweiten Stiftungen gehören bisher die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung, die Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU), die Hanns-Seidel-Stiftung (CSU), die Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne) und die Rosa-Luxemburg-Stiftung (LINKE). Agenturen/nd

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