Nicht winken, wenn Panzer rollen

Ministerpräsident Dietmar Woidke zog Bilanz und gewährte einen Ausblick

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Es gebe durchaus nicht nur Gründe, zufrieden auf das Jahr 2017 zurückzublicken, räumte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ein, nachdem er auf die gute Wirtschaftsentwicklung, den beträchtlichen Steuerzuwachs und die freundliche Arbeitsmarktbilanz verwiesen hatte. In seinem Jahresend-Pressegespräch am Mittwochabend konnten die gescheiterte Kreisreform und die für die SPD vernichtende Ergebnis der Bundestagswahlen nicht fehlen.

Für den Erfolg der sich anbahnenden Verhandlungen zwischen CDU und SPD zur Neuauflage einer gemeinsamen Bundesregierung sagte Woidke eine Erfolgswahrscheinlichkeit von »50 zu 50« voraus. Ein »Weiter so« könne es jedoch nicht geben. Es stünden »harte Verhandlungen« bevor, und ob sie erfolgreich verlaufen, »hängt von der CDU/CSU ab«. In den letzten beiden Jahren der Vorgänger-Bundesregierung sei Vertrauen verloren gegangen, erinnerte Woidke. So habe sich die CDU beispielsweise nicht an das Versprechen gehalten, bis 2019 die Ostrenten an das Westniveau anzupassen. »Jeder Mensch muss von seiner Rente leben können«, betonte Woidke.

Dazu müsste die SPD eigentlich deutlich von der Politik des früheren Kanzlers Gerhard Schröder (SPD) abrücken - Stichwort: Hartz IV. Denn dieser Kanzler hatte die ohnehin geringen Renten mit seinen Reformen weiter unter Druck gebracht. Woidke meint dazu, Schröders Agenda 2010 sei eine richtige Lösung zur richtigen Zeit gewesen. Genauso sei es aber heute notwendig, über Veränderungen nachzudenken.

Für die sieggewohnte brandenburgische SPD, die seit 1990 den Ministerpräsidenten stellt, waren die 20,5 Prozent bei der Bundestagswahl am 24. September ein »schwieriges Ergebnis«, räumte er ein. Die SPD strebe an, dass beim künftigen Wahlergebnis »keine Zwei vorn steht«, ergänzte er. Trotz der spürbar besseren wirtschaftlichen Lage sei bei vielen Menschen der Eindruck entstanden, der Staat ziehe sich aus der Fläche zurück, konstatierte der Regierungschef. Das sei neben dem Erstarken der rechtspopulistischen, in Teilen rechtsextremen AfD seine größte Sorge. Hier eine Änderung zu bewirken, bezeichnete er als eine seiner Aufgaben. Die finanziellen Mittel seien durch überraschend deutlich gestiegene Steuereinnahmen auch vorhanden. Dies werde dem Erhalt von Schulstandorten genauso dienen wie dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.

Vorgesehen sei nun auch, in jedem der 15 definierten Wachstumskerne Brandenburgs mindestens die Außenstelle einer Hochschule einzurichten, um die notwendige Verbindung von Wirtschaft und Wissenschaft zu gewährleisten.

Der Empfehlung des Landesrechnungshofes, die Zahl der heute 46 000 Landesbeschäftigten auf 40 000 zu senken, werde er nicht folgen, unterstrich Woidke. »Sonst dürften wir keine Lehrer und Polizisten mehr einstellen, sonst wäre ein Teil der Verwaltung nicht mehr handlungsfähig.« Als sich im Jahre 2009 in Brandenburg die erste rot-rote Regierung gebildet hatte, stand die perspektivische Verringerung des Personals auf 40 000 Stellen noch im Koalitionsvertrag.

Die jüngste Brüsseler EU-Entscheidung zur Maßregelung Polens ist für Woidke »nachvollziehbar und auch nötig«. Er hoffe auf ein »Umdenken« in Warschau. Mit Blick auf die Geschichte sei in dieser Sache aber »auf deutscher Seite Zurückhaltung geboten«. Wenn im kommenden Jahr wieder US-amerikanische Panzer durch Brandenburg an die polnische Ostgrenze gebracht werden, »dann werde ich nicht winkend am Wegesrand stehen«, sagte Ministerpräsident Woidke, der auch Polen-Beauftragter der Bundesregierung ist. Er wiederholte ausdrücklich, was er zur Verlegung von US-Truppen nach Polen und ins Baltikum bereits vor einem Jahr gesagt hatte: »Ich glaube nicht, dass es weiterhilft, wenn auf beiden Seiten der Grenze Panzer auf und ab fahren.« Stattdessen müsse es einen Dialog geben, um die Lage zu entspannen. Deutschland habe eine Verpflichtung zu einer vermittelnden Rolle in diesem Konflikt. Woidke erinnerte: »Ohne die Zustimmung der Russen, das heißt der Sowjetunion, wäre die deutsche Einheit nicht zustande gekommen.« Dafür sei er heute noch dankbar.

Ob er in acht Jahren noch Ministerpräsident sei, wisse er natürlich nicht, schloss Woidke, aber »einige Jahre will ich das schon noch machen«.

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