• Kultur
  • Sieben Tage, sieben Nächte

Die Angstfrage stellen

  • Lesedauer: 3 Min.

»Wenn einer keine Angst hat, hat er keine Fantasie«, schrieb einst Erich Kästner. Er wusste, wovon er spricht, denn Fantasie hatte er bekanntlich ohne Ende. Wir haben das auch in der nd-Redaktion getestet. Nicht dass wir unter Fantasiemangel leiden würden. Trotzdem stellten wir sicherheitshalber die Angstfrage. Und siehe da: Bei uns gibt es eine ganz ordentliche Anzahl von Angsthasen. Und -häsinnen, versteht sich.

Wovor wir uns so fürchten? Vor Gespenstern im Flur. Vorm Autofahren. Vor versagenden Aufnahmegeräten bei Interviews für die Zeitung. Vor furchtlosen Kindern, vor allem, wenn es die eigenen sind. Davor, dass Leser blamable Wissenslücken bei uns entdecken. Vor unliebsamen Begegnungen in der Öffentlichkeit. Davor, dass die Welt so doof bleibt, wie sie ist. Letzteres wohl vor allem. Nachlesen können Sie das auf den folgenden Seiten in unserer kleinen nd-Angsthasenparade.

Die letztgenannte Angst ist die wohl umfassendste, die selbst dann noch da sein wird, wenn die Angst als solche uns alle Fragen beantwortet hat, die wir an sie haben (Seite 23). Wir werden das Interview veröffentlichen - falls nicht unser Aufnahmegerät versagt hat. Man weiß ja nie. Auf jeden Fall hat die Angst - und darauf zielt die Angst vor dem Zustand der Welt - eine politische Dimension. Es erfordert gegebenenfalls Mut, zu seinen Überzeugungen zu stehen, sich Fraktions- und Parteizwängen nicht zu beugen (Seite 24). »Es gibt Politiker, die Angst haben, ihr Gesicht zu verlieren. Dabei könnte ihnen gar nichts Besseres passieren«, sagte einmal sehr treffend Robert Lembke, bekannt geworden als Moderator einer Ratesendung.

Noch ein Zitat gefällig in diesem Zusammenhang? Diesmal von dem Dramatiker George Bernard Shaw: »Alte Leute sind gefährlich; sie haben keine Angst vor der Zukunft.« An welchen amtierenden US-Präsidenten denken Sie gerade unwillkürlich? Und warum? Und ist Ihnen übrigens schon einmal aufgefallen, dass in dem Wort Gangster - wohl nicht ganz zufällig - das Wort Angst steckt? Aber das nur nebenbei.

Überhaupt fanden wir beim Nachdenken und Recherchieren über das Thema Angst und Furcht bestätigt, was wir von Anfang an ahnten: dass es schier unerschöpflich ist. Man könnte weit mehr dazu erzählen als die Geschichte vom verunglückten Skispringer, der sich wieder aufgerappelt hat (Seite 19). Oder vom Wolf, der Bauern und Politiker in Aufruhr versetzt (Seite 22). Gut möglich also, dass wir in zwölf Monaten wieder auf diese Idee kommen. Kommt ganz darauf an, wie das kommende Jahr verläuft. Bis dahin: Fürchtet euch nicht!

Ein schönes, friedliches Weihnachtsfest und eine angstfreie Lektüre dieser nd-Ausgabe wünscht Wolfgang Hübner

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal