Lisas Chance

TUI Care Foundation und Plan International geben Jugendlichen in der Dominikanischen Republik eine Perspektive für ihr Leben.

  • Uwe Krist
  • Lesedauer: 6 Min.

Es sind nicht die Ratten, die immer wieder über den schrundigen, aufgeborstenen Lehmweg vor der Hütte über die Pfützen springen und hinter der Wellblechwand verschwinden, vor denen sich Lisa besonders fürchtet. Es sind auch nicht die Hurrikane - was sollen die noch zerstören, hier, wo sich 4000 Menschen in einem Slum drängen. Und es ist auch nicht vordergründig die Furcht vor marodierenden, mit Macheten bewaffneten Banden, die sich nehmen, was sie kriegen können. Das alles gehört in ihre Welt, solange sie denken kann. Die geprägt ist von der dauerhaften Abwesenheit des Glücks hier in Greenfield in der Dominikanischen Republik auf Hispaniola, der zweitgrößte Insel unter der strahlenden Sonne der Karibik.

Dort lebt Lisa, die 21-Jährige junge Mutter des siebenjährigen Leons, zusammen mit fünf Geschwistern und der Mutter. Männer, Väter sind hier rar. Lisa ist eine hellwache Frau. Sie kennt die Angst. Bekommt viel mit von der fast unerträglichen Angst, die viele Gesichter hat. Wie den schwitzenden, dicklichen Mann in Ledersandalen, halblangen Hosen und Polohemd, ein typischer Tourist aus dem benachbarten Ferienzentrum Punta Cana, der flink in eine der Hütten schlüpft, in der der kleine, elfjährige Gonzales auf ihn wartet. Warten muss. Denn der Mann zahlt für die gute halbe Stunde.

Oder wenn Rosa, gerade ein Jahr älter als Gonzales, gegen Mitternacht noch immer nicht zurück ist von ihrem Freier - auch ein Gast eines der Hotels. Sie, in ihren wackeligen knallroten Stöckelschuhen, dem billigen, kurzen Tüllkleid und der pinkfarbenen Strickjacke. Auch Lisa kennt das. Hat ihre Angst davor noch immer nicht ganz überwunden.

Die Angst hat viele, zu viele Gesichter. Zahlen sind nur Andeutungen der katastrophalen Realität. Die Dominikanische Republik liegt auf der Liste der Ziele für Sextourismus nach Brasilien, Thailand und den Philippinen schon auf Platz vier. Und der Anteil der missbrauchten Kinder in dieser »Szene« wird trotz drakonischer Strafen (bis zu 30 Jahren Gefängnis) auf 70 000 geschätzt - zu zwei Dritteln sind die Opfer Mädchen.

Gerade der Tourismus lässt die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinanderklaffen - über 42 Prozent der 10,8 Millionen Einwohner der Dominikanischen Republik leben unterhalb der Armutsgrenze, 230 000 Kinder müssen härteste Arbeiten verrichten, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 31 Prozent, davon sind 70 Prozent junge Mädchen. Dramatisch hoch ist auch die Rate der Kinderschwangerschaften und Kinderehen (40 Prozent vor dem 18. Lebensjahr)

Ebenso dramatisch ist die Bildungssituation: Zehn Prozent der Kinder werden gar nicht erst eingeschult, nur etwa 60 Prozent absolvieren die Grundschule. Der Zugang zu Lehrstellen ist oft fast unmöglich. Trotz einer Steigerung der Gästezahlen auf derzeit sechs Millionen jährlich, darunter 260 000 Deutschen, prosperiert das Land nicht an den Urlaubern. Denn das meiste Geld fließt in die Taschen der ausländischen Besitzer der gigantischen Ferienanlagen. Das alles sind, wie auch Ausbeutung, Aids oder Misshandlungen, Gründe der Angst vor der Gegenwart und der Zukunft. Der neben der allseits sichtbaren Armut glänzende Tourismus macht diese Gegensätze zwischen Arm und Reich ganz besonders sichtbar.

Es gibt aber auch Unternehmen, die mit Projekten, die man getrost unter das Motto »Hilfe zur Selbsthilfe« stellen kann, langfristig Veränderungen bewirken sollen und können. Wie die TUI Care Foundation, die sich gemeinsam mit ihrem Partner Plan International mit einem Bildungs- und Ausbildungsprogramm - unter anderem an drei Standorten in der Dominikanischen Republik - um benachteiligte Jugendliche kümmert. Für zunächst 150 Mädchen und Jungen wurde ein Hilfsprogramm auf die Beine gestellt, das diesen jungen Menschen eine geregelte Ausbildung und später Jobs in Hotels und Ferienresorts - wie in Punta Cana die Häuser der Blue Diamond-Resorts - vermittelt.

So war es denn auch eine große Freude, als rechtzeitig vor Weihnachten die Ausbildungsverträge unterschrieben werden konnten. Auch Lisa hat einen bekommen. Keiner der Familie wollte es zuerst glauben, als Vertreter der Organisatoren sie auswählten und ihr damit ein Zukunftsperspektive gaben.

Denn die garantieren TUI Care Foundation und Plan International: Zuerst werden dreimonatige Praktikumsplätze vergeben, zeitgleich trainiert die TUI Academy die jungen Menschen, die dann in einem dreijährigen Programm mit einer Jobgarantie lernen können. Die Kinder der meist minderjährigen Mütter unter den Schülern werden in dieser Zeit von der Stiftung betreut.

Auf Einladung der TUI konnten einige Journalisten Elise Allart, Executive Director für Programme der Stiftung, zur Übergabe der Ausbildungsverträge begleiten. In einem Gespräch erklärte sie: »Unsere Arbeit weltweit soll dazu beitragen, jungen Menschen neue Zukunftsperspektiven zu eröffnen, Natur und Tierwelt zu schützen sowie nachhaltige Entwicklung und Wohlstand in Destinationen auf der ganzen Welt zu befördern. Damit soll ein Beitrag dazu geleistet werden, dass die Menschen in Urlaubsdestinationen angemessen von den Chancen des Tourismus profitieren können.«

Hundert Prozent der finanziellen Mittel - abgesichert durch jährlich zehn Millionen Euro der TUI - gehen in weltweite Projekte wie in ein Elefantenprojekt in Tanzania, in Frauenprogramme in Gambia, in die Reiseleiterausbildung einheimischer Jugendlicher auf Sansibar, in Recyclingkurse für Kinder in Curacao oder in Weinanbauprojekte auf Kreta oder Lanzarote.

Auch Urlauber können mit Spenden helfen, die Projekte zu verwirklichen und sich vor Ort anschauen, was mit ihrem Geld passiert. Auch Vorschläge von Urlaubern für neue Projekte sind willkommen.

Kerstin Kellner von Plan International, die ebenfalls zur Übergabe der Ausbildungsunterlagen dabei ist, freut sich auch für Lisa, die sie kennengelernt und ins Herz geschlossen hat: »Das ist doch fantastisch! Wir helfen so gerne, für jeden unserer Schützlinge nach einer Trainingsphase den besten Einsatzplatz zu finden - im Zimmerservice, im Bar- und Restaurantbereich oder in den Küchen.«

Die Küche in Lisas Wellblechhütte hat sie schon kennengelernt. Ein kleiner Kocher, ein Kühlschrank, etwas Geschirr, ein paar Kochutensilien an der Wand. Lisas Mutter Sofia hat sich zum Besuch besonders hübsch gemacht. Deutlich sieht man ihr das Glück über Lisas Zukunftsaussichten an. Und dann kocht sie für die Gäste einen scharfen Kaffee mit ganz viel Zucker, den sie aus einem Versteck holt.

Armut ist manchmal der Mangel an Chancen. Lisa hat eine Chance bekommen und wird sie nutzen. Am liebsten möchte sie in der Küche arbeiten, das weiß sie schon jetzt. Sie hat jetzt keine Angst mehr.

TUI Care Foundation

Die TUI Care Foundation, gegründet vom Reiseveranstalter TUI, operiert weltweit und legt Wert darauf, direkt vor Ort Veränderungen zu bewirken. Um nachhaltig und effizient zu arbeiten, baut sie auf Partnerschaften mit regionalen und internationalen Organisationen. Sitz der TUI Care Foundation ist in den Niederlanden.
Mehr Infos unter: www.tuicarefoundation.com/de

Plan International

Plan International ist ein internationales Kinderhilfswerk. Die Kinderhilfsorganisation ist in über 70 Ländern, unabhängig von Religion und Politik, tätig. Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit finanziert Plan International nachhaltige und kinderorientierte Selbsthilfeprojekte hauptsächlich über Patenschaften, zusätzlich auch über Einzelspenden. An der Planung und Realisierung der Projekte sind die Gemeinden unmittelbar beteiligt. Die Organisation ist vom Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen als private und unabhängige Organisation anerkannt und ist im Beratungsausschuss von Nichtregierungsorganisationen für UNICEF.
Mehr Infos unter: www.plan.de

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