Letzte Ausfahrt Ruhpolding

Norwegens Biathlonikone Ole Einar Björndalen kämpft einen Monat vor den Winterspielen noch immer um die Olympianorm

  • Sandra Degenhardt, Oberhof
  • Lesedauer: 3 Min.

Ole Einar Björndalen kann einem fast schon ein bisschen leid tun. Der mit acht Goldmedaillen erfolgreichste olympische Wintersportler läuft nur noch hinterher. »Mister Biathlon«, wie ihn nicht nur sein norwegischer Teamkollege Johannes Thingnes Bö nennt, kämpft verbissen um die Olympianorm. Mitleid ist sicher das Letzte, was der Altstar will. Fakt aber ist: Mit fast 44 Jahren ist Björndalen, eigentlich ein Meister der perfekten Vorbereitung auf einen Saisonhöhepunkt, nicht mehr konkurrenzfähig. Hat er den Absprung verpasst?

»Ich spüre einen sehr großen Druck. Ich habe gedacht, dass ich besser ins neue Jahr starten kann«, sagte der 20-malige Weltmeister beim Weltcup in Oberhof. Auch hier wurde er nur 36. und 52. Im Gesamtweltcup ist er nur 40. In Oberhof wurde er am Sonntag nicht mal für die Staffel aufgestellt - obwohl er laufen wollte. Der Kannibale, wie Björndalen genannt wurde, ist handzahm geworden. Zu stark ist die Konkurrenz, vor allem im eigenen Team. Nicht nur der 24-jährige Johannes Thingnes Bö, der sein Sohn sein könnte, hat Björndalen längst den Rang abgelaufen.

Ursprünglich wollte der Rekordweltmeister und Rekordweltcupsieger nach den Heimweltmeisterschaften 2016 in Oslo seine Karriere beenden. Dort holte er mit 42 Jahren aber sensationell seine WM-Medaillen 41 bis 44 - neben Staffelgold jeweils Silber im Sprint und der Verfolgung sowie Bronze im Massenstart. »Ich glaube, dass ich weiter an der Spitze dabei sein kann«, hatte er damals zum Rücktritt vom Rücktritt gesagt. Er fühle sich wie ein 20-Jähriger. Zwei Jahre später sieht’s ganz anders aus.

Was fast schon an Majestätsbeleidigung grenzen würde, könnte Realität werden. Björndalens siebte Teilnahme an Olympischen Winterspielen in Serie ist sehr fraglich. Seit 1994 war er immer dabei. Doch eine Sonderbehandlung bekommt die Ikone des Biathlon nicht. Name hin oder her, nur die Leistung zählt. Und die zeigt er derzeit nicht. »Es gibt keinen Freifahrtschein für ihn«, meint Norwegens Biathlon-Sportchef Per Arne Botnan. »Wenn er außer Form ist, bezweifle ich, dass er zu den Olympischen Spielen fahren wird.« Am Mittwoch in Ruhpolding bekommt er im Einzel über 20 Kilometer die vielleicht letzte Chance zur Qualifikation, eventuell startet er auch noch in der Staffel.

Für die Olympianorm muss er zwei Mal unter die besten Zwölf oder einmal unter die Top Sechs laufen. Sechs Athleten dürfen pro Nation zu den Winterspielen, vier pro Rennen dann dort starten. Aber sechs Norweger haben schon mehr Weltcuppunkte als Björndalen. Einzig beim Staffelsieg in Hochfilzen lieferte er einen guten Auftritt ab. Mit seiner für Olympia längst qualifizierten Frau Darja Domratschewa (Belarus) bestritt Björndalen die Vorbereitung komplett außerhalb des Teams. Norwegens Chefcoach Siegfried Mazet soll das gar nicht gefallen haben.

Johannes Thingnes Bö hofft dennoch, dass Björndalen ab 9. Februar in Pyeongchang dabei ist. »Olympia ohne Ole ist kein Olympia«, sagte er. Tarjei Bö, der wie sein jüngerer Bruder in Südkorea beste Chancen auf eine Einzelmedaille hat, leidet mit seinem einstigen Vorbild. »Es ist nicht leicht, als Freund und Teamkollege zu sehen, wie Ole mit seiner Form kämpft. Aber er weiß besser als jeder andere, was er tun muss. Ich denke, dass er es schafft, wieder in Form zu kommen«, sagte Bö. dpa/nd

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