Langsam wieder auftauchen

Das Jugendkonzept im deutschen Wasserball bringt erste Fortschritte, aber nicht alle ziehen mit

  • Klaus Weise
  • Lesedauer: 4 Min.

Inmitten der turbulenten Spitzensportreform kämpft eine Sportart ums Überleben, die mal eine der beliebtesten und erfolgreichsten in (West-) Deutschland war: Wasserball. Diese Sparte des ohnehin schwer gebeutelten Schwimmverbandes (DSV) soll mit knappen Mitteln, neuem Personal, das eigentlich altes ist, und veränderten Strukturen wieder den Anschluss an die Weltspitze finden.

Dort spielten die Wasserballer lange Zeit erfolgreich mit. Während sich fast alle anderen Mannschaftssportarten vergeblich um internationale Spitzenplätze mühten, machten die Athleten im Becken die 80er zu ihrem Jahrzehnt: Olympiadritter 1984, Weltpokalsieger 1985, WM-Dritter 1982, Europameister 1981 und 1989. Danach kam kaum noch etwas. Nach den letzten Tiefschlägen der vergangenen Jahre - Olympiateilnahme 2012 und 2016 sowie WM-Qualifikation 2015 und 2017 verpasst, EM-Talfahrt mit den Plätzen fünf (2012), neun (2014) und zehn (2016) - war Wasserball nicht mal mehr im Videotext von ARD und ZDF zu finden.

Jetzt soll es ein alter Bekannter wieder richten. Hagen Stamm, eigentlich Fahrrad-Großhändler, war schon von 2000 bis 2012 im »Zweitberuf« Bundestrainer - und hat diese Aufgabe im »Ehrenamt« nun wieder als Teilzeitjob übernommen. Auch weil der DSV internationale Topleute auf dessen Niveau nicht mal annähernd bezahlen könnte. Mit Platz fünf bei Olympia 2004 wies er seine Qualitäten auch als Trainer nach.

Stamm, gleichzeitig Präsident von Rekordmeister Spandau 04, ist eine Ikone dieses Sports. Die großen Erfolge in den 80er Jahren prägte er als Aktiver entscheidend mit. Mit seinem Berliner Klub gewann er in dieser Zeit vier Mal den Europapokal der Landesmeister. Jetzt setzt er sowohl beim Bundesligisten aus der Hauptstadt als auch im Nationalteam voll auf die Jugend. Es ist für ihn »die einzige Chance, wieder den Zipfel zur Weltelite in die Hand zu bekommen«. Dass eine starke Liga die Basis für ein starkes Nationalteam sein muss, »steht dabei außer Frage«. Ob die Aufrüstung mit Spitzenspielern vom Balkan, die meist älter sind und vergleichsweise viel verdienen, dieses Vorhaben befördert, daran zweifelt der 57-Jährige. Aber genau in diesem Punkt scheiden sich im deutschen Wasserball momentan die Geister.

Waspo Hannover hat seit zwei, drei Jahren dank der Finanzkraft von Unternehmer, Sponsor und Trainer Karsten Seehafer kräftig Stars eingekauft - zuletzt auch deutsche - und mittlerweile eine kleinere Weltauswahl zur Verfügung. Die Berliner haben natürlich auch starke Ausländer in ihren Reihen, bauen aber parallel dazu auf deutsche Nachwuchsspieler. Eine Strategie, die auch durch das vom DSV-Wasserballausschuss unter Leitung des Uerdingers Rainer Hoppe beschlossene Doppelstartrecht für U23-Talente unterstützt wird. Spandau 04 kooperiert mit dem Erstligisten OSC Potsdam, Hannover - zumindest auf dem Papier - mit den ebenfalls erstklassigen White Sharks aus Niedersachsens Landeshauptstadt.

Untersucht man freilich die Kader der beiden Titelaspiranten bei ihren Spielen in der Meisterschaft und Champions League, wird das Doppelspielrecht durchaus unterschiedlich gehandhabt. Spandau setzte seine Potsdamer U23-Leute Dennis Strelezkij, Lukas Küppers, Ferdinand Korbel und Reiko Zech sowie den Uerdinger Neuzugang Ben Reibel fast permanent ein und ermöglicht ihnen auch internationale Bewährungen, die eine individuelle Weiterentwicklung garantieren. Bei Hannover muss man lange suchen, um entsprechende Akteure in den Aufstellungen zu finden.

»Man sieht an den Beispielen, dass die Geschichte mit dem Doppelspielrecht wirklich sinnvoll ist. Küppers, Strelezkij und auch Reibel haben sich sichtbar entwickelt, spielen schon einen ganz anderen Wasserball als bei ihren Wechseln zu uns«, sagt Stamm. »Das bringt uns in Spandau etwas, das bringt dem deutschen Wasserball was, und das bringt vor allem ihnen ganz persönlich was.« Das genannte Trio ist nach Anfangsproblemen inzwischen in seinen Leistungen spürbar gewachsen, übernimmt in den Spandauer Partien nicht immer, aber immer öfter auch tragende Rollen im Spiel. Das spiegelt sich in den starken nationalen und internationalen Auftritten der Berliner wider, die es so seit mehreren Jahren nicht gegeben hat. Hagen Stamm mahnt dennoch zur Zurückhaltung: »Wir sind weiter in einem Entwicklungsprozess, es gibt keinen Grund zum Abheben. Aber immerhin: Wir sind auf gutem Wege. Und wann konnten wir das zum letzten Mal sagen?«

Für Spandau und das DSV-Nationaltam stehen in den kommenden Wochen wichtige Standortbestimmungen an, die auch Auskunft geben werden, wohin es mit dem deutschen Wasserball gehen wird. Am 13. Januar treten die Berliner in der Champions League bei Steaua Bukarest an. Nach dem überraschenden Sieg kurz vor Weihnachten gegen das ungarische Spitzenteam ZF Eger können sie als Tabellenführer ihrer Achtergruppe mit einem Auswärtserfolg die Aussichten aufs Final Four im Frühjahr in Genua untermauern. 2003 waren sie letztmals in der Finalrunde des Königswettbewerbs vertreten. Am 16. Januar tritt Stamms DSV-Auswahl dann in der Weltliga gegen Weltmeister Kroatien an, mit sechs Spandauern - darunter Reibel und Strelezkij. Im ersten Spiel der Saison hatte sich das Nationalteam Mitte Dezember in Dresden nur knapp den favorisierten Russen mit 11:12 nach Fünfmeterwerfen geschlagen geben müssen.

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