Aufruhr im Inselparadies

Innenpolitische Krise auf den Malediven massiv verschärft / Zugespitzter Machtkampf zwischen Präsident, Opposition und Oberstem Gericht

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist die Chronik einer eskalierenden Krise, die schon seit Jahren schwelt. Vorigen Donnerstag hatte der Supreme Court, das höchste Gericht des hierzulande vor allem als Urlaubsparadies bekannten Kleinstaates mit knapp einer halben Million Einwohner, die harschen Urteile gegen neun politische Gegner des heutigen Staatsoberhauptes aufgehoben. Ganz vorneweg betrifft dies Mohamed Nasheed, der als erster frei gewählter Präsident nach einer langen Phase autokratischer Herrschaft 2008 zum demokratischen Hoffnungsträger der streng muslimischen Inselnation avancierte. Allerdings konnte der Journalist und Ozeanograph, der sich auch als Umwelt- und Menschenrechtsaktivist einen Namen gemacht hatte und als Präsident auf vielen internationalen Foren zum Problem des Klimawandels stärkere Anstrengungen anmahnte, nicht einmal seine erste Amtszeit beenden. Nach gut drei Jahren wurde er am 7. Februar 2012 zum Rücktritt gezwungen.

Nach einem kurzen Intermezzo kam der bis heute amtierende konservative Politiker Abdullah Yameen an die Macht - ein Halbbruder von Langzeitherrscher Maumoon Abdul Gayoom, der dem Land bis zur »friedlichen Revolution« der von Nasheed geführten Demokratischen Partei (MDP) drei Jahrzehnte vorgestanden hatte. Etliche, die Yameen in der Anfangszeit zur Seite gestanden hatten, finden sich heute im Lager der Opposition - oder aber hinter Gittern. Die meisten der übrigen acht Prominenten, deren Freilassung die Obersten Richter angeordnet haben, sind vormalige Parteigänger des Präsidenten, die sich zu einer Oppositionsallianz zusammenfanden. Zu der gehören neben der linksliberalen MDP auch die religiös-konservative Adalaath-Partei.

Koordiniert wird das Bündnis wesentlich von Nasheed. Dieser war 2015 zwar wegen terroristischer Vorwürfe (ein vom Regierungslager gern genutzter Anklagepunkt) zu 13 Jahren Haft verurteilt worden, durfte im Folgejahr aber zu medizinischen Behandlungen nach Großbritannien ausreisen, wo er Asyl beantragte. Eigentlich wollte Nasheed bei den im Oktober regulär anstehenden Wahlen erneut für das höchste Staatsamt kandidieren. Doch ob der Urnengang überhaupt fristgerecht stattfindet, ist derzeit offen: Die Ereignisse in der Hauptstadt Malé überschlagen sich regelrecht, nachdem sich Regierung und Sicherheitskräfte über das Wochenende hinweg geweigert hatten, dem Urteil der Obersten Richter zu folgen. Der bedrängte Präsident Yameen wittern seinerseits Absichten der Justiz, ihn abzusetzen zu wollen. Nachdem schon am Wochenende unter anderem der Polizeichef und andere hohe Beamte ausgetauscht wurden, holte das Präsidentenlager am Montag zum großen Gegenschlag aus. Das Parlament wurde suspendiert, für zunächst 15 Tage der Ausnahmezustand verhängt, Armee und Polizei mit Sondervollmachten ausgestattet.

Dazu kamen mehrere spektakuläre Verhaftungen in der Nacht, darunter Ex-Machthaber Gayoom und sein Schwiegersohn Mohamed Nadheem. Nahezu parallel dazu setzten Sicherheitskräfte mehrere Richter des Supreme Court im Gerichtsgebäude fest. Nach den Zuspitzungen äußerten sich insbesondere die Botschafter der USA und Großbritanniens äußerst besorgt über die jüngsten Entwicklungen.

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