Eine Million Euro für die Gewaltschutzambulanz

Senat stockt Mittel für die seit vier Jahren bestehende rechtsmedizinische Einrichtung an der Charité auf

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Immer mehr Menschen suchen die Gewaltschutzambulanz an der Charité auf. Während im Startjahr 2014 noch etwa 300 Fälle betreut wurden, waren es 2017 bereits 1250 Fälle. Das ist eine Steigerung von 40 Prozent pro Jahr, sagt Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) am Montag auf einer Feier zum vierjährigen Bestehen der Einrichtung. Die Ambulanz werde immer bekannter und sie werde mittlerweile breit angenommen. »Wir haben damit das Dunkelfeld weiter aufhellen können.« Um mehr Gewaltopfer betreuen zu können, habe die Senatsverwaltung das Budget der Einrichtung noch einmal um 250 000 Euro auf eine Millionen Euro jährlich aufgestockt, sagt Behrendt.

An die Ambulanz können sich Menschen wenden, denen der Partner, die Eltern oder Fremde Gewalt angetan haben. Die Mitarbeiter dokumentieren die sichtbaren Verletzungen. Wer sich erst später dazu entscheiden möchte, Anzeige zu erstatten, kann dadurch vorsorglich Beweise sichern. Eine medizinische Behandlung gibt es in der Einrichtung nicht.

»Wir können nur ein Pflaster draufkleben«, sagt die stellvertretende Leiterin Saskia Etzold. Wer ernsthaft verletzt sei, müsse einen Arzt aufsuchen oder in die Rettungsstelle der Charité gehen.

Insgesamt haben sich in den vergangenen vier Jahren 3104 Menschen an die Einrichtung gewendet, etwa die Hälfte habe daraufhin einen Termin wahrgenommen, heißt es. Das sei eine gute Quote, erklärt Saskia Etzold. 78 Prozent der betreuten Personen waren ihr zufolge Frauen. Die meisten waren von ihrem Partner oder Ex-Partner misshandelt worden. »Es ist uns gelungen, auch einige Männer zu erreichen.« Diese Männer erlebten in der Mehrzahl Gewalt durch andere Männer, berichtet die stellvertretende Leiterin der Ambulanz.

Etwa ein Drittel der betreuten Menschen wird von der Polizei an die Gewaltschutzambulanz verwiesen. 24 Prozent kommen über Ärzte und Krankenhäuser, 18 Prozent über die Jugendämter. Zwölf Prozent wenden sich nach Berichten in Medien an die Einrichtung, oder weil sie über das Internet auf sie aufmerksam wurden. Auch die Werbung, die in U-Bahnen aushängt, bringe die Menschen zu ihr und ihren Mitarbeiterinnen, erzählt Etzold. Einige riefen tatsächlich direkt aus der Bahn an und fragten, ob sie gleich vorbeikommen können. Wer zu einem Termin erscheint, sollte am besten alle relevanten Arztberichte mitbringen, sagt Etzold. Die Mitarbeiterinnen könnten dann helfen, Fachbegriffe zu verstehen. Eine Klientin sei beispielsweise überzeugt gewesen, keinen Bruch zu haben. Der Arztbrief habe aber sogar acht Brüche angezeigt - versteckt hinter dem Fachterminus »Fx«.

»Wir erstellen ein rechtsmedizinisches Gutachten«, sagt Etzold. Danach beginne erst die wichtige Arbeit, die Menschen zu beraten. Dafür habe die Einrichtung schon bisher mit der Opferberatung Berlin zusammengearbeitet. Künftig soll eine Mitarbeiterin der Beratungsstelle direkt in der Ambulanz sitzen. Eva Schumann, Geschäftsführerin und Beraterin der Opferhilfe, erklärt, das Wichtigste sei die sogenannte Stabilisierungsarbeit. »Viele Menschen machen sich Vorwürfe, in der Situation nicht angemessen reagiert zu haben.« Die Beraterinnen hören nicht nur zu. Sie erklären auch, wie das Gehirn funktioniert und warum man in bestimmten Situationen wie reagiert.

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