Links ist da, wo keine Heimat ist

Die Kritik am Begriff wird nicht falsch, weil die Rechten stärker werden. Eine Antwort auf Roberto J. De Lapuente

  • Alexander Nabert
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Einzug der AfD in den Bundestag war ein Schock für das linke Lager. Noch immer ringt man darum, was schief gelaufen ist und wie man aus der Misere wieder rauskommt. Heribert Prantl, der linksliberale Politikberater von der »Süddeutschen Zeitung«, wusste es nach der Bundestagswahl ganz genau: »Wenn wir die Analysen der AfD-Wähler lesen, dann sagen die zu 95%, sie haben das Gefühl, dass ihnen die Heimat verloren geht, dass ihnen die Heimat irgendwie unter dem Boden weggezogen wird.« Das richtige Programm sei nun also eine »Politik der Wiederbeheimatung von Menschen.« Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier griff diesen Gedanken auf und verkündete am Tag der Deutschen Einheit, man dürfe die Sehnsucht nach Heimat »nicht den Nationalisten überlassen.«

Seither lässt einen die Heimat nicht in Ruhe. Die CSU nimmt es mit der Wiederbeheimatung von Menschen besonders ernst: Horst Seehofer wird Innen- und Heimatminister. Heimat ist also noch immer da, wo abgeschoben wird. Die Grünen hingegen wollen den Heimatbegriff umdeuten und positiv besetzen. Deren Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt gibt die Richtung vor: »Heimat kann ich nur als offen, weltzugewandt und europäisch denken.« Cem Özdemir, der sich gerne als »Anatolischer Schwabe« vorstellt, wäre wohl ein Heimatminister nach Göring-Eckardts Geschmack. Jüngst wetterte der ehemalige Grünen-Chef im Bundestag in Richtung AfD: »Wie kann jemand, der Deutschland, der unsere gemeinsame Heimat so verachtet, wie sie es tun, darüber bestimmen, wer Deutscher ist?«

Nicht nur Grüne können der Heimat etwas abgewinnen. Vergangene Woche warb Roberto J. De Lapuente in dieser Zeitung für »Progressive Heimatgefühle« und beklagte: »Die [Linken] haben den Begriff brachliegen lassen.« Das linke Lager dürfe sich nicht nicht erlauben, den Heimatbegriff den Rechten zu überlassen, stattdessen gelte es, »den Begriff richtig aufzuladen. Heimat als Sicherheit und nicht als kultureller Ausgrenzer: Das wäre eine Gegenposition.« Damit schließt er sich dem Berliner Staatssekretär Alexander Fischer und dem Thüringer Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff an. Die beiden Linkspartei-Politiker schrieben im Oktober in der »Welt«: »Es hängt für die politische Linke viel davon ab, dass sie den Wunsch nach Beheimatung nicht als ewiggestrig abtut, sondern daraus die Legitimation und die Mehrheiten für eine progressive Veränderung der Lebenswelten ableitet.«

Sie alle irren. Die Rechten sind nicht stark, weil sie das Wort Heimat im Munde führen. Die AfD wird nicht wegen dem Begriff gewählt, sondern wegen dem, was damit transportiert wird: Nämlich Chauvinismus, Ausgrenzung und Rückwärtsgewandtheit. Wenn AfD-Wähler sagen, dass sie das Gefühl haben, dass ihnen ihre Heimat verloren geht, meinen sie damit: Ausländer kommen, Schwule heiraten, Frauen tragen Hosen. Und auch, wenn sie es nicht allzu oft sagen, wissen sie genau wer daran schuld ist. Ein wie auch immer positiv besetzter und progressiv umgedeuteter Heimatbegriff kann diese Leute gar nicht erreichen. Sie wollen keine Umdeutung. Sie wollen Höcke.

Das ist das Problem. Leicht zu lösen ist es nicht. Doch wer darauf damit reagiert, das Lied der Rechten (wenn auch mit schiefen Noten) zu singen, ist nicht Teil der Lösung. Die Kritik am Begriff der Heimat wird nicht plötzlich falsch, weil die Rechten stark werden. Andersrum wird ein Schuh draus: Links ist noch immer da, wo keine Heimat ist. Linke müssen sich für die Armen und Ausgebeuteten einsetzen, und nicht für den Standort, der im Überbau Heimat genannt wird. Es geht um den Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital, nicht um die Scholle und ihre Konkurrenzfähigkeit.

Was das linke Lager den Rechten tatsächlich nicht überlassen darf, ist der Internationalismus. Die linken Parteien Europas driften immer weiter auseinander, grenzübergreifende Solidarität gerät in Bedrängnis. Nicht zuletzt, weil viele von ihnen auf Linksnationalismus (deutsch: progressive Heimat) setzen. Währenddessen basteln die Rechten freudig an einer völkischen Internationalen. Die AfD ist bestens mit FPÖ, Front National, Gert Wilders und Co. vernetzt. Sie bejubeln Trump, während Putin rechten Bewegungen in ganz Europa den bereitwilligen Paten gibt. Unter dem Banner des Ethnopluralismus kämpfen sie für abgeriegelte Nationalstaaten, zu deutsch: Heimat.

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