Angst vor dem Outing

48 Prozent der Homosexuellen erlebten in den vergangenen fünf Jahren Diskriminierung

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

Menschen mit sexuellen Neigungen, die dem klassischen Mann-Frau-Schema nicht entsprechen, haben auch in Brandenburg nicht selten Erfahrungen mit Diskriminierung. Es ist aber besser geworden, und die Diskriminierungsbefunde sind messbar geringer als in westdeutschen Bundesländern. Das geht aus einer Umfrage hervor, deren Ergebnisse am Montag im Sozialministerium vorgestellt worden sind. Demnach haben in Brandenburg 48 Prozent der lesbischen, schwulen und bisexuellen Einwohner, der Transgender, Trans- und Intersexuellen sowie Queeren Diskriminierung erlebt. In Rheinland-Pfalz sind es 54 Prozent, in Baden-Württemberg sogar 77 Prozent.

Negative Erfahrungen sind aber auch in Brandenburg »an der Tagesordnung«, wenn rund die Hälfte der 314 Befragten in den vergangenen fünf Jahren mindestens einmal in eine solche Situation geraten sind. Immerhin sind die Erfahrungen mit Polizei und Justiz positiver, als die Betroffenen zuvor angenommen hätten, erläuterte Christina Rauh von der Change Centre Consulting GmbH, die die Umfrage im Auftrag des Sozialministeriums durchführte.

Sozialministerin Diana Golze (LINKE) sagte am Montagmorgen bei dem Termin in ihrem Ressort, dass sie hier als »Hausherrin« angesprochen werde, das sei fragwürdig, aber »Hausfrau« sei auf jeden Fall auch nicht besser. Golze dankte für die Umfrage, weil erstmals eine Datenbasis vorliege. Zwar gebe es in Brandenburg seit 1992 das in der Landesverfassung verankerte Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung - doch die Erfahrungen im Leben seien etwas anderes, erklärte die Ministerin. Es gebe leider oft immer noch Ablehnung und Ausgrenzung. Noch mehr als Lesben und Schwule hätten darunter die Transsexuellen zu leiden.

Wenigstens seien die Brandenburger besser als ihr Ruf und gar nicht so hinterwäldlerisch, wenn immerhin 70 Prozent der Bevölkerung nichts gegen ein schwules oder lesbisches Paar als Nachbarn hätten. Auch scheinen den Umfrageergebnissen zufolge ländliche Regionen überraschenderweise toleranter zu sein als Städte. Das aber wird darauf zurückgeführt, dass das Verheimlichen der sexuellen Neigung auf dem Lande einfacher sei als in der Stadt.

Interessant ist ferner, dass bei aller Aufklärung gerade in der jüngeren Generation die Angst vor dem offenen Umgang mit der sexuellen Orientierung, vor dem »Outing«, nach wie vor sehr verbreitet ist. Nur 43 Prozent der 16- bis 29-Jährigen bekennen sich dazu, beispielsweise schwul oder lesbisch zu sein. Immerhin noch die Hälfte der jungen Menschen sagt zumindest den Mitschülern, wie sie fühlen, aber nur ein Viertel sagt es auch den Lehrern.

Dass sie verächtlich gemacht werden, erleben 43 Prozent in der eigenen Familie, 41 Prozent in der Freizeit, in der Öffentlichkeit und in ihrer Religionsgemeinschaft. Zwölf Prozent der Befragten haben aufgrund der Anfeindungen und der Verhöhnung die Schule abgebrochen oder zumindest die Schule gewechselt. In den Hochschulen geht es insgesamt toleranter zu, auch im öffentlichen Dienst.

Diskriminierung gibt es in unterschiedlichen Graden. Das reicht vom »Nicht-Mitdenken« des Andersseins, über absichtsvolles Übergehen des Themas, das Lächerlichmachen bis hin zu Gewaltverbrechen. Ein Drittel der Befragten hat Gewalt erlitten. Wiederum nur ein Drittel der Gewaltopfer zeigte die Täter bei der Polizei an. Die Zurückhaltung der anderen wird damit erklärt, dass sie weitere Diskriminierung befürchten. Dabei erklären aber zwei Drittel derer, die zur Polizei gegangen sind, dass sie dort fair und kompetent behandelt worden sind. Die Anzeigequote in Baden-Württemberg liegt übrigens nur bei 25 Prozent.

Mit 314 anonymisierten Antworten, so ausführlich sie auch waren, kann die Studie nicht als repräsentativ gelten, eher als die Erhellung eines »Dunkelfeldes«, wie Rauh erläuterte. Geantwortet haben vor allem jüngere Menschen. Es wäre wünschenswert, die Situation der Senioren zu untersuchen. Vorurteile, die den Befragten begegnet sind, waren Aussagen wie: »Mein Vater hat zwei Töchter - die Dunkelhaarige und die Lesbe« oder: »Alle Fußballspielerinnen sind Lesben.«

Nach Ansicht des Lesben- und Schwulenverbandes müsste das Land Brandenburg den Kampf gegen Homophobie stärker unterstützen. Wie Landesgeschäftsführer Jörg Steinert sagte, werden dafür nur 100 000 Euro bereitgestellt. Das Land Berlin habe für seinen Aktionsplan in den ersten beiden Jahren 2,1 Millionen ausgegeben.

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