Weg frei für Jordi Sànchez

Inhaftierter Ex-Chef des Katalanischen Nationalkongress soll am 12. März Präsident werden

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.

Nachdem der katalanische Parlamentspräsident Roger Torrent am Montag alle Parteien konsultiert hatte, schlug er Jordi Sànchez zum Präsidentschaftskandidaten vor. Sànchez sitzt wegen angeblichen Aufruhrs seit dem 15. Oktober im spanischen Gefängnis Estremera. Am Dienstag legte Torrent die Amtseinführung auf den 12. März fest, da sich nun auch seine Republikanische Linke (ERC) hinter Sànchez gestellt hat. Puigdemont war letzte Woche im Brüsseler Exil zur »Seite getreten«, nachdem dessen Amtseinführung von der spanischen Regierung über die Justiz verhindert worden war und hatte Sànchez vorgeschlagen.

Torrent stellte bei seinen Konsultationen fest, dass Sànchez der einzige Kandidat ist, der eine Chance hat. Im Lager der spanischen Unionisten ist ohnehin niemand zur Kandidatur bereit. Die Unabhängigkeitsparteien erhielten bei den aus Madrid verfügten Zwangswahlen im vergangenen Dezember gegen alle spanischen Erwartungen erneut die Mehrheit.

Sànchez’ Anwalt Jordi Pina hat sofort beim spanischen Ermittlungsrichter Pablo Llarena beantragt, dass der ehemalige Chef des Katalanischen Nationalkongress (ANC), Zweiter auf der Liste von Puigdemonts Gemeinsam für Katalonien (JxCat), Haftverschonung erhält. Das forderte der Anwalt, damit Sànchez Katalonien auch real regieren kann. Haftverschonung hatten zuvor schon ehemalige Minister erhalten, die Llarena sogar der deutlich härter bestraften Rebellion beschuldigt.

Pina argumentiert neben der Unschuldsvermutung auch damit, dass es keine Begründungen für weitere Haft gebe und mit der Freilassung »am Adäquatesten seine Rechte und die Rechte der Wähler garantiert« werden könnten. Dass ihm und den beiden inhaftierten Ex-Ministern bisher die Teilnahme an Parlamentssitzungen verweigert wurde, sei ein »bedauerlicher Rückschritt beim Schutz bürgerlicher und politischer Rechte«. Das erklärte Pina mit Blick auf eine mögliche »Verurteilung Spaniens vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte«.

Der spanische Verfassungsrechtler Javier Pérez Royo meint, es wäre sogar »Rechtsbeugung gegen die Demokratie«, wenn Richter Llarena die Teilnahme Sànchez’ an der Amtseinführung verbieten würde. Er würde sich damit »strafbar« machen und seine Richterbefugnisse verlieren. Und das wirke sich auf alle »früheren Entscheidungen« aus. Die Anklagen wegen Aufruhr und Rebellion halten Royo und andere Juristen ohnehin für »grotesk«, da dafür Gewaltanwendung zwingend notwendig sei.

Puigdemont will Spanien in eine Zwickmühle bringen, da bisher auch mutmaßlichen Mitgliedern der baskischen Untergrundorganisation ETA eine Teilnahme an Parlamentssitzungen erlaubt wurde. Die Republikanische Linke (ERC) war zunächst gegen Sànchez, wollte ihren inhaftierten Parteichef Oriol Junqueras nominieren, aber noch lieber einen Kandidaten haben, der effektiv regieren und die Zwangsverwaltung abschütteln kann. Sie lenkte schließlich zur Wahrung der Einheit im Unabhängigkeitslager ein, geht aber davon aus, dass Spanien auch die Amtseinführung von Sànchez verhindern wird. Die ist auch deshalb nicht gesichert, da sich die linksradikale CUP enthalten will, die lieber an Puigdemont und an einem Kurs des »Ungehorsams« zur Durchsetzung der Katalanischen Republik festhält.

Am Dienstag hat auch das spanische Verfassungsgericht debattiert, ob die Beschwerde der spanischen Regierung angenommen wird, mit der die Kandidatur Puigdemonts bisher verhindert wurde. Die Richter wollen prüfen, ob diese wegen der neuen Situation hinfällig geworden ist. Im Januar hatten sie »vorläufige Maßnahmen« verhängt, ohne über die Annahme der Beschwerde zu entscheiden und so eine Amtseinführung Puigdemonts im Januar verhindert.

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