Verbannt auf die Hinterbank

Im Kabinett ist kein Platz mehr für Sigmar Gabriel. Neuer Außenamtschef wird Heiko Maas

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Sigmar Gabriel wird in nächster Zeit keine große Rolle mehr auf der politischen Bühne spielen. Am Donnerstagmorgen teilte der Niedersachse über den Kurznachrichtendienst Twitter mit, dass ihn der kommissarische SPD-Vorsitzende Olaf Scholz und die Fraktionschefin Andrea Nahles darüber unterrichtet hätten, dass er der nächsten Bundesregierung nicht mehr angehören werde. Nahles und Scholz wollen die Kabinettsmitglieder der SPD am Freitag im Willy-Brandt-Haus präsentieren. Neuer Außenamtschef soll der bisherige Justizminister Heiko Maas werden. Er galt im künftigen schwarz-roten Kabinett ohnehin als gesetzt.

Gabriel wäre gerne Minister geblieben. Doch er fällt nun einem Prozess zum Opfer, den die derzeitige Parteiführung als »Erneuerung der SPD« ausgibt. Diejenigen, die als Hauptverantwortliche für die Misere der Partei gelten, sollen keine wichtigen Posten mehr erhalten. Gabriel war von November 2009 bis März 2017 Vorsitzender der SPD. Intern wurde ihm in dieser Zeit immer wieder vorgeworfen, keinen klaren Kurs zu haben. Als wankelmütig galt er etwa bei der Vorratsdatenspeicherung und in seiner Haltung zur deutschen Griechenlandpolitik. Weil er bei der Bundestagswahl als möglicher Kanzlerkandidat keine Chance gehabt hätte, übergab Gabriel an Martin Schulz.

Seit er zu Beginn dieses Jahres das Außenamt übernommen hatte, musste Gabriel keine komplizierten Entscheidungen mehr treffen und wegen seines rhetorischen Geschicks mauserte er sich zu einem der beliebtesten Bundespolitiker. Seine Bilanz sieht Gabriel durchaus positiv. »Zu den für mich bleibenden Erinnerungen gehören die Rettung von mehr als 10 000 Arbeitsplätzen bei der Übernahme der Einzelhandelskette Kaisers/Tengelmann, die erfolgreiche Entwicklung von Vorschlägen zur Wahl zweier Bundespräsidenten oder die Befreiung deutscher Staatsangehöriger aus ungerechtfertigter Haft im Ausland«, schrieb Gabriel in seiner Mitteilung. Hierbei bezog er sich auch auf die Freilassung des Journalisten Deniz Yücel aus türkischer Haft. Kein Wort verlor Gabriel allerdings darüber, dass die Bundesregierung vor der Freilassung von Yücel zahlreiche Waffenlieferungen an die Türkei genehmigte. Auch wenn dies von offizieller Seite stets bestritten wurde, besteht der begründete Verdacht, dass hier ein schmutziger Deal abgeschlossen wurde.

Die Rüstungsexportpolitik und der Umgang mit diversen Diktatoren waren für Gabriel bereits in seiner Zeit als Wirtschaftsminister zum Problem geworden. Im Jahr 2013 hatte er bei seinem Amtsantritt noch versprochen, die Waffengeschäfte der Bundesregierung senken zu wollen. Besonders Waffenlieferungen an Unrechtsregime, die die Bevölkerung unterdrückten, dürfe es nicht mehr geben, so Gabriel damals.

Die Realität sah anders aus. Im Jahr 2016 erreichten die deutschen Exportgenehmigungen mit 6,88 Milliarden Euro den zweithöchsten je gemessenen Wert. Im Vorjahr waren es Ausfuhren im Wert von 7,86 Milliarden gewesen. Staaten mit autoritären Herrschern wie Algerien, Saudi-Arabien und Ägypten gehören zu den besten Kunden der deutschen Rüstungsindustrie.

Nun wird Gabriel in dieser Legislaturperiode ein Dasein als Hinterbänkler fristen. Auf Twitter betonte er, nach wie vor direkt gewählter Abgeordneter des Bundestags zu sein. Zudem dankte Gabriel auf diesem Weg den Mitgliedern und Wählerinnen und Wählern der SPD, »ohne deren Vertrauen ich nicht in meine politischen Ämter hätte gewählt werden können«. Außerhalb seines Wahlkreises Salzgitter-Wolfenbüttel hat Gabriel jedoch bislang keine nennenswerte Unterstützung der Wählerschaft erhalten. Als Spitzenkandidat und Parteivorsitzender musste er vielmehr heftige Wahlniederlagen hinnehmen. Bei der niedersächsischen Landtagswahl 2003 stürzte seine Partei mit Gabriel, der damals Ministerpräsident war, von 47,9 auf 33,4 Prozent ab. Auch die schwachen 25,7 Prozent bei der Bundestagswahl 2013 musste Gabriel als SPD-Vorsitzender mitverantworten.

Es ist bezeichnend für den Zustand der Sozialdemokraten, dass sich ein Politiker mit einer so durchwachsenen Bilanz wie Gabriel immerhin 19 Jahre lang in Spitzenpositionen halten konnte. Möglich war dies nur, weil politische Talente in der Partei rar gesät sind.

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