Alles ein symbolischer Akt

Bislang sind wenige schwule Justizopfer entschädigt worden

Das von der Bundesregierung beschlossene Gesetz hat eher einen symbolischen Charakter: Gerade einmal 62 Personen haben bislang eine Entschädigung erhalten, weil sie wegen ihrer Homosexualität verurteilt wurden, wie ein Sprecher des Bundesjustizministeriums dem »nd« sagte.

Als die Regierungsparteien im Juni vergangenen Jahres das Gesetz zur Rehabilitierung von schwulen Justizopfern beschlossen, ging das Bundesjustizministerium noch von rund 5000 Antragstellern aus. Alleine in der Bundesrepublik gab bis zur kompletten Abschaffung des Paragrafen 175 im Jahr 1994, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte, rund 64 000 Verurteilungen. Tatsächlich sind derzeit aber gerade einmal 84 solcher Anträge gestellt worden.

Das Gesetz spricht den schwulen Justizopfern eine einmalige Zahlung von 3000 Euro sowie zusätzlich 1500 Euro für jedes angefangene Haftjahr zu. Bislang wurden 291 000 Euro an Betroffene ausgezahlt.

Doris Achelwilm, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, hält die Zahl der eingegangenen Entschädigungsanträge für »erschreckend gering«. Ein Grund dafür liegt für sie auf der Hand: Die Möglichkeit, dass die Urteile aufgehoben werden können und Betroffene eine Entschädigung erhalten, sei schlicht nicht ausreichend bekannt. Sie forderte die Bundesregierung daher dazu auf, das Gesetz mehr zu bewerben. Auch das Bundesjustizministerium sieht darin Nachholbedarf. »Offenbar wissen insbesondere viele ältere Männer noch nicht von der Möglichkeit einer Entschädigung«, erklärte der Sprecher.

Drei Anträge auf Rehabilitierung und Entschädigung wurden bislang abgelehnt. In einem Fall betrifft es einen Mann, der im Zuge der »Frankfurter Homosexuellenprozesse« 1950/51 angeklagt wurde und ein halbes Jahr in Untersuchungshaft saß. Das Verfahren endete für ihn mit einem Freispruch, weshalb er nicht rehabilitiert werden konnte. Weil damit der »Strafmakel« fehlt, hat er auch keine Entschädigung erhalten.

Für Achelwilm sind solche Fälle nicht hinnehmbar. Hier müsse die Bundesregierung nachjustieren und den Berechtigtenkreis erweitern, fordert sie. Darüber habe die neu aufgestellte Bundesregierung zu entscheiden, gab der Ministeriumssprecher zu bedenken.

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