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Grenzkontrollen spielen kaum eine Rolle
Der Rückgang der Asylgesuche liegt nicht an der verschärften deutschen Migrationspolitik
Wenn Bundesinnenminister Alexander Dobrindt es als sein Verdienst ansieht, dass die Zahl der Asylanträge gesunken ist, dann ist das unredlich. Seine im Mai angeordneten verschärften Grenzkontrollen sind nämlich nicht die Ursache für diese Rückgänge.
Zahlen belegen, dass etwa 50 Menschen pro Woche an den Grenzen ein Asylgesuch äußern. Gut die Hälfte wird davon abgewiesen, die anderen gelangen als vulnerable Personen ins Land. Diese Zurückweisungen beschneiden das Recht auf Asyl und sind aus humanitärer Sicht skandalös. Doch die vergleichsweise geringe Zahl der Zurückweisungen schafft für die Aufnahmebehörden gewiss keine grundlegend neue Situation.
Der tatsächliche Rückgang an Schutzbedürftigen in Deutschland hat andere Ursachen: Insbesondere die südosteuropäische Fluchtroute ist für Schutzsuchende gefährlicher geworden, weil die Balkanstaaten ihre oftmals rechtswidrige Asylpraxis verschärft haben. Unerlaubte Pushbacks nach der Einreise kommen dort häufig vor. Außerdem spielt der Regimewechsel in Syrien im Dezember eine entscheidende Rolle. Im ersten Halbjahr 2024 flüchteten noch 15 000 Syrer nach Deutschland. Jetzt überlegen viele einstmals geflüchtete Syrer, wieder zurückzugehen.
Das zeigt, wie sehr Faktoren die Migrationsbewegungen beeinflussen, die Deutschland nicht unmittelbar betreffen. Das dürfte auch Alexander Dobrindt wissen. Dennoch sucht er weiterhin nach nationalstaatlichen Lösungen und verbucht nun die umstrittenen Grenzkontrollen als Erfolg. Damit hascht er nach rechtspopulistischen Effekten – betreibt jedoch keine seriöse Politik.
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