Koloniale Bilderwelten

Werbung zwischen alten Stereotypen, Konsum und dem Versprechen einer harmonischen Nord-Süd-Partnerschaft

  • Sebastian Lemme
  • Lesedauer: 4 Min.

Fair gehandelte Waren begegnen uns im Alltag inzwischen in den allermeisten Supermärkten und Discountern - das einstige Nischendasein in den »Eine-Welt-Läden« ist lange Zeit vorbei. Nicht nur der Handel wurde stetig ausgeweitet, auch die Produktwerbung hat sich zunehmend professionalisiert. Die Motive der Werbekampagnen folgen hierbei einem simplen Muster, nach dem das Fair-Trade-Prinzip bildlich dargestellt wird: Auf der einen Seite stehen die Produzent*innen, die innerhalb ihres Arbeitsumfeldes oder auch bei der Ernte gezeigt werden und die einen »fairen« Lohn erhalten. Oftmals bieten grüne Landschaften und Erntefelder dabei eine naturharmonische Kulisse, in der die Arbeiter*innen geradezu perfekt in Szene gesetzt sind.

Die andere Seite zeigt Kund*innen, die fair gehandelte Produkte kaufen oder konsumieren. Vorzugsweise wird eine urbane oder häusliche Umgebung für die Aufnahmen gewählt. Genuss und Distinktion durch den »fairen« Konsum stehen dabei im Mittelpunkt der Werbebotschaft. Die visuelle Kommunikation leistet hier, was durch Sprache allein nur schwer möglich wäre. Den Kund*innen wird ein vermeintlich realistischer Einblick in die Fair-Trade-Partnerschaft gewährt und die positiven Wirkungen des fairen Handels sollen bildhaft nachgewiesen werden.

Was einerseits als positiv gemeinte Werbemaßnahme und als eine Art Dokumentation der sogenannten fairen Handelspartnerschaft betrachtet werden kann, erweist sich anderseits aus einer rassismuskritischen Perspektive als durchaus problematisch. Mit Blick auf die in den Darstellungen kommunizierten Repräsentationen wird deutlich, dass die Fair-Trade-Bilderwelten immer auch das Verhältnis zwischen Globalem Süden und Norden verhandeln. Sie inszenieren dabei keinesfalls lediglich die Handelspartnerschaft, sondern reproduzieren einen altbekannten Dualismus, der seit der Kolonialzeit das immer gleiche Bild zeichnet: Der Globale Süden wird hierbei insbesondere mit Traditionalität, Exotik, kultureller Fremde und ländlicher Lebens- und Arbeitsweise verbunden, der Globale Norden hingegen vor allem mit Modernität, Rationalität, städtischer Lebenswelt und politischer Handlungsfähigkeit.

Die Produzent*innen des fairen Handels sind zudem durch bestimmte Mittel in der Darstellung als grundverschiedene »Andere« markiert. Dieses Different-Machen (»Othering«) funktioniert sehr oft als eine Form visueller Ethnisierung: Über die besondere Hervorhebung der bunten, teils folkloristischen Kleidung sowie durch die farblich sehr kontrastreich gestalteten Porträts entstehen Bilder, die gezielt exotische und fremdkulturelle Stereotype in der Werbung oder auch direkt auf den Produkten platzieren. Die Differenz zu den weißen Konsument*innen, welche farblich in einer eher kühlen Darstellungsweise abgebildet sind, wird dabei besonders klar hervorgehoben.

Dies geschieht nicht ohne Grund: »Exotik« und »Fremdheit« sollen den Kauf der fair gehandelten Waren zu einem authentischen Konsumerlebnis machen. Potenzielle Kund*innen können nicht nur »fair« konsumieren, sondern auch in die begehrenswerte Fantasiewelt des Globalen Südens eintauchen. Historisch betrachtet ist diese Form der Konsumkultur keineswegs neu. Das Stereotyp des arbeitenden »Anderen«, der lächelnd in naturbelassenen, sattgrünen Landschaften dargestellt wird, findet sich bereits in zahlreichen Bildern der europäischen Kolonialwarenwerbung.

Die Werbung von Fairtrade beispielsweise beinhaltet neben diesen altbekannten Darstellungsweisen außerdem immer auch eine Botschaft über die Position und vermeintliche Macht der Konsument*innen aus dem Globalen Norden. Diese sind ganz individuell dazu aufgefordert, die »richtige« Kaufentscheidung zu treffen, um so ihren Teil zu einer gerechteren Welt beizutragen. Die in der Werbung beworbene Partnerschaft wirkt dabei wie eine Wohltätigkeit derjenigen, die bereit und finanziell dazu in der Lage sind, einen »fairen« Aufpreis für die Waren zu zahlen. In den Werbefotos scheint das »gute« Leben der Produzent*innen im Globalen Süden dadurch gesichert, das gute Gewissen der Käufer*innen im Globalen Norden ebenfalls.

Die Werbebotschaften schließen damit an die inzwischen verbreitete Idee an, nach der sich gesellschaftliche und in diesem Fall globale Veränderungen ganz einfach im Supermarkt herbeiführen lassen. Jeder Kassenbon wird sozusagen zum Stimmzettel für eine gerechtere Welt erklärt. Individuelle Entscheidungen über »richtigen« und »falschen« Konsum werden an die Stelle von politischen und ökonomischen Auseinandersetzungen gesetzt, die in ihrer Komplexität kollektiv zu führen sind.

Als simple Werbebotschaft mag dies funktionieren, die realen Wirkungen des Fair-Trade-Prinzips werden hier aber maßlos überschätzt. Erschwerend kommt hinzu, dass die beschriebenen Stereotypisierungen als Kaufargument ins Feld geführt werden, um ein besonders begehrenswertes, exotisches Konsumerlebnis zu bewerben. Auch wenn der faire Handel im besten Fall eine Verbesserung der Lebensverhältnisse für einzelne Menschen im Globalen Süden bewirken kann - die in die Öffentlichkeit getragene Produktwerbung transportiert inzwischen äußerst fragwürdige Werbebotschaften voller kulturalisierender Stereotype und simpler politischer Wahrheiten.

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