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Unendliche Wut im Bauch

John Fante: Sein Debütroman »Der Weg nach Los Angeles« ist zu seinen Lebzeiten nie erschienen

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch wenn der 1909 in Denver geborene und 1983 in Los Angeles verstorbene John Fante nie wirklich literarischen Erfolg zu verzeichnen hatte, dreht sich in seinem Werk fast alles um das Leben als Schriftsteller. In seinem zu Lebzeiten nicht veröffentlichten Debütroman »Der Weg nach Los Angeles«, der nun in einer Neuübersetzung erscheint, erzählt er vom Ausbruch aus den kleinbürgerlichen Verhältnissen seiner italienischstämmigen Migrantenfamilie und der Hoffnung auf eine erfolgreiche literarische Karriere jenseits des harten Alltags der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre.

John Fante gilt als wichtiger kalifornischer Chronist dieser Epoche nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch. Es sind die Schilderungen des täglichen Lebens, der Armut, der harten Arbeit und des Versuchs, als Künstler zu überleben, durch die er in seinen Büchern diese Zeit wiederauferstehen lässt. In vorliegendem Buch, einem Text, der im Original nie lektoriert wurde und entsprechend roh wirkt, kann der Leser ganz unmittelbar in die Erlebniswelt des damaligen Mittzwanzigers eintauchen.

In diesem Roman entwarf John Fante sein literarisches Alter Ego Arturo Bandini, das in den folgenden Jahrzehnten immer wieder in seinen Romanen auftaucht. Hier ist es der junge, ungestüme, mitunter auch arrogant machohafte Antiheld, der im Dauerstreit mit seiner Mutter und der frömmelnden Schwester steht und sich eine Zukunft als intellektuelles und literarisches Schwergewicht erträumt, während er in einer Fischfabrik Makrelen und Thunfisch in Dosen verpackt.

Diese Arbeitsrealität beschreibt Fante so lebendig, dass der Leser mitunter selbst den Eindruck hat, am lärmenden Fließband zu stehen und schwitzend stinkenden Fisch zu verarbeiten. Dabei ist seine jugendliche Figur keineswegs durchgängig sympathisch. Arturo Bandini ist ein ewiger Besserwisser, er ist naiv, zitiert in einem fort Nietzsche und Spengler, beschimpft seine Arbeitskollegen auch mal rassistisch, um rassistische Demütigungen, die er als Sohn italienischer Immigranten selbst erfahren hat, zu kompensieren. Er hat unendlich viel Wut im Bauch und erschafft daraus schließlich Literatur. Als er sein Skript noch einmal liest, findet er es dann aber viel schlechter als erwartet.

»Der Weg nach Los Angeles« hat regelrechte Slapstick-Elemente, wenn der junge Arturo sich zur Selbstbefriedigung im Schrank versteckt, während draußen seine katholische Schwester betet. Oder wenn er sich am Einarbeitungstag in der Fischfabrik schimpfend ein ums andere Mal übergibt und dabei philosophische Werke zitiert.

Aus heutiger Sicht hat diese satirisch dargestellte Verzweiflung einen bitteren Beigeschmack. Denn Fante war - auch wenn er einige Bücher veröffentlichte - nie so erfolgreich, wie er es sich in seiner Jugend erträumt hatte. Erst als Charles Bukowski Anfang der 1980er erklärte: »Fante war mein Gott«, da wurde der damals aufgrund einer Diabeteserkrankung erblindete und beinamputierte Autor zum Geheimtipp; seine Texte wurden bald weltweit veröffentlicht.

John Fante: Der Weg nach Los Angeles. Aus dem Amerikanischen von Alex Capus. Blumenbar bei Aufbau, 268 S., geb., 20 €.

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