Im Trabi um die Welt

Ein tschechischer Filmemacher bricht zu seiner letzten Reise auf

  • Michael Heitmann, Prag
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit seinem Trabi hat Dan Priban bald die ganze Welt umrundet. Wenn der tschechische Filmemacher auf seinen Reisen auf ostdeutsche Touristen trifft, muss er als Erstes die Motorhaube öffnen. Sie wollen sehen, ob auch wirklich der Original-Zweitakter aus Zwickau vor sich her tuckert. »Dann hört man ein langes ›Ohhh!‹«, sagt Priban. Es käme ihm überhaupt nicht in den Sinn, irgendetwas an seinem geliebten Gefährt zu modernisieren.

Doch nun bricht Priban mit seinem Team zur letzten Fahrt mit dem liebenswerten Auto auf. Nach Vorderasien, Afrika, Südamerika und dem Pazifikraum geht es diesmal nach Indien. Die beiden knallgelb lackierten Trabis der »Transtrabant«-Expedition reisen derzeit mit dem Containerschiff voraus an den Startort im Süden Indiens. Von dort geht es nach China und über die Seidenstraße zurück nach Europa - über rund 25 000 Kilometer. Auch dabei: ein winziger Polski Fiat 126p mit 23 PS.

»Wir haben das Gefühl, dass wir schon alles erreicht haben«, begründet der 42-Jährige die schwere Entscheidung, nach dieser Expedition aufzuhören. Die letzte Trabi-Reise des Abenteurers soll an die erste anknüpfen. Im Juli 2007 ging es zu dritt im Trabant-601-Universal über 15 000 Kilometer entlang der Seidenstraße nach China. Mit jeder Reise wurde die »gelbe Zirkuskarawane«, wie Priban es ausdrückt, größer - ein zweiter Trabi-Kombi und ein professionelles Filmteam kamen hinzu; später fuhren zwei Motorradfahrer, ja sogar zwei Rollstuhlfahrer mit.

»Wie hätten wir das noch größer machen können?«, sagt Priban bei einem Treffen in Prag. Es sei wie bei einer Band, die erst ein Album mit einem Symphonieorchester einspielt, um sich dann zu entscheiden, unplugged aufzutreten. Diesmal soll alles möglichst einfach sein. »Zurück zu den Wurzeln«, nennt er das.

In den wenigsten Ländern wird der Trabant von den Menschen überhaupt als solcher erkannt. »In Indonesien haben alle ›Mr. Bean, Mr. Bean‹ gerufen«, erinnert sich Priban. Sie glaubten, einen Mini Cooper vor sich zu haben, wie ihn der englische Kult-Komiker Rowan Atkinson fährt. Doch immer ist der Trabi mit seinen runden Scheinwerfern ein Hingucker und hilft, bei den Einheimischen das Eis zu brechen.

»Er wirkt sehr positiv auf Menschen - das ist seine stärkste Waffe«, sagt Priban. Seine Trabis hat er Egu und Babu getauft - nach den ersten, noch sinnlosen Wörtern seiner Tochter. Doch manche Tschechen halten ihm mangelnden Patriotismus vor, weil er nicht mit einem Skoda fährt. Der Trabant sei damals einfach das billigste Auto gewesen, das man kaufen konnte, sagt Priban. Heute ist das anders. Für gut erhaltene Modelle werden mittlerweile Liebhaberpreise gezahlt.

Die Reisefilme der »Transtrabant«-Expeditionen haben in Tschechien längst Kultstatus. Sie werden im Kino gezeigt und im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, dessen Intendant Petr Dvorak sagt: »Wir meinen es ernst mit Dokumentarfilmen.« Zu einem Teil der Finanzierung trägt auch eine Crowdfunding-Plattform im Internet bei. Die Spender erhalten ein kleines Andenken und sehen ihren Namen auf der Motorhaube.

Vor der Reise durch Indien fürchtet sich Priban am meisten vor Staus - so wie in Indonesien, wo er kaum in den vierten Gang gekommen sei. Schlechte Straßenverhältnisse schrecken den Trabi-Fahrer dagegen nicht. Schließlich sei das Auto noch zu Zeiten konstruiert worden, als man viel auf unbefestigten Straßen unterwegs war. »Er ist ein Lastesel«, sagt Priban. Die Expeditionsfahrzeuge sind so vollgestopft, dass sich manchmal die Türen nicht schließen lassen: 40 Liter Benzin, 20 Liter Wasser und zwei Reserveräder sind nur der Anfang.

Von Unfällen sind die »Transtrabant«-Expeditionen bisher verschont geblieben. In Chile versuchten Diebe, über das offene Fenster auf der Beifahrerseite einzusteigen. »Sie haben die Tür nicht öffnen können, weil sie den Riegel nicht gefunden haben«, berichtet Priban und entlehnt einen Begriff aus der Computersprache: »security through obscurity«, also Sicherheit durch Unklarheit. Weit wären die Autodiebe seiner Einschätzung nach ohnehin nicht gekommen: »Der Zweitakter verhält sich anders - der Fahrer muss erst ein Gefühl für den Motor entwickeln.« dpa/nd

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